Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)
Am Nachbartisch wurde es ganz still. – Also, Vater, können wir auf Sie zählen? – Klar, – sagte der Pope vorsichtig, – könnt ihr. Aber glaubt bloß nicht, daß ich euch jeden Tag irgendwelche Kadaver aussegne, das könnt ihr vergessen. – Was dann, Vater? – fragte Sawa. Der Pope schwieg eine Weile. – Ihr braucht eine Kapelle, Jungs, eine Kapelle ... – Eine Kapelle? – Ja, – sagte der Pope und kratzte nachdenklich seinen roten Bart, – eine Kapelle ... Eine Kapelle. Und Wodka. – Wodka? – fragte Grischa verständnislos. – Ja, für mich noch einen Wodka. Und eine Kapelle. – Und die Kapelle werden Sie weihen? – wollte Sawa wissen, bevor er den Wodka bestellte. – Klar, – sagte der Pope, – die Kapelle kann ich weihen. Ich komme zu euch, hab ja ein eigenes Auto, weihe den Ort, halte eine Messe gegen den bösen Blick, gegen Hunger, gegen Not und Tod. – Vater, sagte Sawa schnell, – gegen den Tod, das muß nicht sein. – Der Wodka kam. Vater Lukitsch stand auf, hob sein Glas und sagte: – Weise sind Deine Taten, o Herr, in Deinen Taten, o Herr, wird Deine Weisheit offenbar. – Die Gäste am Nachbartisch saßen wie versteinert. Das heißt, der ganze Saal hielt denAtem an, wagte nicht zu schlucken und schaute gebannt auf Vater Lukitsch. In diesem Moment fing sein Handy an zu vibrieren. Der Pope hob ab. – Ja, – sagte er, – ja, Valjuscha, ich ruf zurück, ich ruf dich zurück. Was? Verdammte Scheiße, ich ruf zurück, hab ich gesagt! – Vater Lukitsch beugte sich über sein Handy und suchte die richtige Nummer, da spürte er die Anspannung, sah auf und bemerkte die erstarrten Blicke, die auf ihn gerichtet waren. Er schaute sich um, auf das Glas, dann auf sein Handy, dann wieder in den Saal – ich habe eine Flatrate, – erklärte er.
Ein paar Tage später fuhren Vater Lukitsch und die Oschwanz-Brüder zu dem Grundstück, auf dem der Friedhof entstehen sollte. Dort hatten obdachlose Datschniks schon angefangen, Beete umzugraben. Grischa wollte sie wegjagen, aber die Datschniks setzten sich mit Spaten zur Wehr, bis Vater Lukitsch aus seinem kirschroten BMW stieg und aus dem Revers seines Tweedjacketts ein im Knast gefertigtes schweres Silberkreuz hervorzog. Die Datschniks traten den Rückzug an. – Hier, – sagte Vater Lukitsch, – hier ist ein gesegneter Platz, wahrlich ich sage euch, hier könnt ihr das Fundament legen. – Sawa holte den Stacheldraht aus dem Kofferraum und rollte ihn mürrisch ab. Der Pope versprach ihnen noch, Information über ihre Firma in den Kirchengemeindeblättern unterzubringen, bat allerdings um einen fertigen Text, schreibt, was die Hauptsache ist, sagte er: Slogan, Preisliste, Rabattsystem, irgendwas über die Kirche. Damit man Lust kriegt, zu euch zu kommen, kapiert?
Die Brüder überlegten und schalteten ein Übersetzungsbüro ein. Das Übersetzungsbüro schaute sich die Brüder an, überlegteebenfalls und willigte dann ein, den Text zu schreiben, bat nur darum, das »Unternehmensprofil« detaillierter zu beschreiben. – Was soll das, – bellte Sawa, – es ist ein nichtkommerzielles Projekt, die Lungen der Stadt, das, was wir alle brauchen. – Das Übersetzungsbüro nickte heftig. – Für uns ist Service das wichtigste! – bellte Sawa weiter. – Ja, – fügte Grischa hinzu, – wir arbeiten bis zum letzten Kunden! – Genau, – bellte Sawa, – Dienstleistungen von A bis Z. Plus der Segen der Patriarchie. Hier steht »Eparchie«, – das Übersetzungsbüro warf einen Blick in die Unterlagen. – Dazu die Kapelle, – fügte Sawa hinzu. – Und ein flexibles Rabattsystem. Alles klar, – sagte das Übersetzungsbüro, – wir werden versuchen, all Ihre Vorschläge zu berücksichtigen. – Die Brüder seufzten. Am nächsten Tag rief das Übersetzungsbüro an und bat sie, vorbeizukommen, sagte: wissen Sie, wir haben da was für Sie entworfen, vielleicht könnten Sie mal bei uns reinschauen und einen Blick darauf werfen. Die Brüder schauten rein, lasen den Text und wurden wütend, Grischa wollte sich den Deutschübersetzer vorknöpfen, Sawa hielt ihn zurück. Schließlich versprach das Übersetzungsbüro, alles umzuarbeiten. Ohne Aufpreis. – Kapiert doch, – schrie Sawa und hielt die Tür zu, die sein Bruder von außen einzutreten versuchte, – Service hat oberste Priorität! Von A bis Z! Und über die Kirche muß was drinstehen! Ohne Kirche ist alles für den Arsch, kapiert?
Zwei Tage später traf man sich wieder. Grischa wartete im
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