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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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warm, kapiert? – fragte er wieder. – Was ist das Wichtigste bei den Kadavern? Das Wichtigste ist Ordnung. Wenn ich die Öfen stoppe, der Kessel kalt wird – wo willst du dann mit dem Kadaver hin? Der Kadaver wartet doch nicht, fängt an zu verfaulen. Die ganze demographische Situation lastet also auf meinen Schultern.– Offensichtlich verstand Zhorik etwas ganz eigenes unter demographischer Situation. Grischa nickte nachdenklich. – Das heißt also, – sagt er endlich, – der ganze Witz besteht darin, daß ihr staatlich seid? – Ja, – sagte Zhorik nicht ohne Genugtuung, – darin besteht der ganze Witz. – Also das heißt, – fuhr Grischa fort, – wenn ich mein eigenes Krematorium daneben baue, zu humaneren Bedingungen, dann mach ich euch das Geschäft kaputt? – He he, – Zhorik wurde nervös, – und woher nimmst du den Heizer? Ein Kadaver kann nicht ohne Heizer. – Na, Heizer muß man ja nicht studiert haben, – sagte Grischa nachdenklich, – was für eine Ausbildung hast denn zum Beispiel du? – Musikfachschule, – sagte Zhorik, – Akkordeonklasse. – Und warum bist du dann Heizer geworden? – Bin vom Pferd gefallen, – sagte Zhorik. – Was für einem Pferd denn? – Nach einem Konzert haben sie mich per Pferd heimtransportiert, ich war betrunken. Bin runtergefallen. Hab mir den Mittelfinger gebrochen. Wollte eigentlich weitermachen, aber ich kann nicht mehr alle Töne greifen, kapiert?
    Dann beriefen die Brüder einen Rat ein und begannen sich zu beraten. Grischa, der noch unter dem Eindruck dessen stand, was er über die Kadaver gehört hatte, schlug vor, ein privates Krematorium zu eröffnen, zum Beispiel im Heizwerk ihres Stadtteils, einen finnischen Ofen zu importieren und mit Zhorik ein Wettbrennen zu veranstalten. Überhaupt nahm Grischa alles sehr auf die leichte Schulter, als ob sie eine Sauna eröffnen wollten. Sawa hingegen widersprach entschieden, erstens müsse man den finnischen Ofen erst mal auftreiben und zweitens würde der soviel Strom verbrauchen, daß sie mit ihrer Knete nicht hinkämen. – Hörmal, – sagte er zu Grischa, – Ofen-schwofen, das ist doch nicht seriös. Wir müssen ein richtiges Business aufziehen. Den Gesamtkomplex ritueller Dienstleistungen, von A bis Z. – Von A bis Z, was heißt das? – fragte Grischa, – heißt das, die Kadaver selbst von der Straße auflesen? – Von A bis Z, das ist der Gesamtkomplex ritueller Dienstleistungen, – erklärte Sawa, – Krematorium, Klageweiber, Grabstein. Ein Lokal für die Trauerfeier. Wenn wir den richtigen Service bieten, werden die Leute bei uns Schlange stehen. – Genau das bezweifle ich, – antwortete darauf Grischa.
    Einige Zeit später kauften die Brüder ein Grundstück. Die Feuerwehrleute forderten ihren Anteil, aber Sawa erklärte ihnen, es sei kein kommerzielles Projekt, sie hätten also keinen Anspruch darauf. – Es wird nämlich eine ökologisch bedeutsame architektonische Stätte, – erklärte Sawa den Feuerwehrleuten, – die Lungen der Stadt, das, was alle brauchen. – Wir bestimmt nicht, – widersprachen die Feuerwehrleute. Schließlich einigten sie sich mit den Feuerwehrleuten. Grischa traf sich noch mal mit Zhorik, Zhorik wollte seine Saga von den Kadavern und den Heizern fortsetzen, aber Grischa bat, ihm nur schnell den Plan eines Ofens aufzuzeichnen.
    Sawa schaute sich Zhoriks Zeichnung an, gab sie Grischa schweigend zurück und sagte, er solle einen Priester auftreiben. – Für die Totenmesse oder was? – fragte Grischa. – Wir müssen den Ort weihen lassen, – sagte Slawa, – damit das Geschäft gut läuft. – Also traf sich Grischa noch mal mit Zhorik. – Hör mal, – sagte er, – bei euch werden die Kadaver doch bestimmt auch ausgesegnet? – Na klar, – Zhorik war sofort wieder Feuer und Flamme, – ein Kadaver mußausgesegnet werden, natürlich, erst die Aussegnung und dann ab in den Ofen. – Über Zhorik bekam Grischa Kontakt zu Vater Lukitsch, Zhorik gab ihm eine lange Handynummer. Grischa rief an. – Ich rufe zurück, – sagte Vater Lukitsch kurz, – ich habe eine Flatrate. – Sie verabredeten sich in einem Café. Vater Lukitsch kam in seinem kirschroten BMW angebraust. Die Brüder erzählten ihm, was sie vorhatten. Vater Lukitsch dachte angestrengt nach. Bat um Bier zum Wodka. Trank. Dachte weiter angestrengt nach. – Ihr tut Gutes, Jungs, – sagte er endlich, – Gutes. – Gott sei mit euch, – er segnete die Brüder und den Nachbartisch gleich mit.

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