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Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Hymne der demokratischen Jugend (German Edition)

Titel: Hymne der demokratischen Jugend (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serhij Zhadan
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Tasche seiner unmäßig weiten Hosen.
    Man rief aus Budapest an. Zufällig war im Büro gerade niemand außer Grischa, also war er es, der das Gespräch führen mußte. Zuerst kriegte er Panik wegen dem Englisch, dann gewöhnte er sich daran, versuchte, seinen gesamten englischen Wortschatz zu aktivieren, den er seinerzeit von den Negern in den Wohnheimen gelernt hatte, und schlug den ersten Angriff mehr oder weniger erfolgreich zurück. Sich selbst nannte er bedeutungsvoll »se president«, seine Firma »chaus of se des«, und um ihr »Geschäftsprofil« zu beschreiben verwendete er den ihm selbst nicht ganz verständlichen Begriff »gotic stail«. Am nächsten Tag kam ein Fax aus Budapest. Auch das Fax nahm Grischa an, der gelernt hatte, mit dem Gerät umzugehen und niemand anderen auch nur in die Nähe ließ. Die Brüder beugten sich über das Papier, aber außer dem schon bekannten »House of the Death«, an das das Fax adressiert war, verstanden sie null. Die Brüder dachten ein bißchen nach und trabtendann wieder zum Übersetzungsbüro. Dort sperrte man den Deutschübersetzer wortlos in die Küche und beugte sich ebenso wortlos über das Papier. – Sie werden zu einer Konferenz eingeladen, – erklärte man den Brüdern, – über Ökumene. – Das wissen wir auch ohne euch, – knurrte Grischa, aber sein Bruder beschwichtigte ihn. – Man bittet um eine Firmenpräsentation, in multimedialer Form, – übersetzte das Übersetzungsbüro weiter, – Sie haben 30 Minuten Zeit, Arbeitssprachen sind Ungarisch und Deutsch. – Was bedeutet multimediale Form? – fragte Sawa. – Was bedeutet Präsentation? – fragte Grischa. – Also, – sagte das Übersetzungsbüro, – Sie müssen 30 Minuten über Ihre Firma reden, möglichst mit Dias. Möglichst auf ungarisch. – Kannst du das? – fragte Sawa Grischa. – Auf ungarisch nicht, – sagte der. – Und auf deutsch? – Auf deutsch auch nicht, – sagte Grischa. – Wir können Ihnen eine Präsentation auf deutsch vorbereiten, – sagte das Übersetzungsbüro, – und weil Sie es sind, machen wir auch noch eine Übersetzung in eine normale Sprache, Sie zeigen die Dias, und alles steht schon da. – Und Ihr rafft das mit der Ökumene? – fragte Sawa mißtrauisch. – Unser Deutschübersetzer rafft es, – sagte das Übersetzungsbüro. – Gut, – sagte Sawa und bemühte sich wieder, seinen Bruder zu beschwichtigen.
    Mit einem ängstlichen Blick auf Grischa trat der Deutschübersetzer ins Zimmer. – Ich kann es versuchen, – sagte er, nachdem er das Fax gelesen hatte, – aber ich brauche detailliertere Informationen über das Profil Ihrer Firma. – Kleiner, – Grischa rückte düster auf ihn vor, – Kleiner, eins sag ich dir, – Sawa konnte ihn gerade noch am Ärmel packen, – wir bieten Service, wir bieten Service von A bis Z, verstehstdu mich? – Der Deutschübersetzer ging hinter dem Computer in Deckung. Sawa legte ihm die technischen Unterlagen ihrer Firma auf den Tisch, Grischa zog ein viermal gefaltetes kariertes Blatt mit Zhoriks Zeichnung aus der Tasche. Der Übersetzer schielte hinter dem Bildschirm hervor und betrachtete die Zeichnung. – Ich könnte, – sagte er, – versuchen, es als Recyclingprogramm mit menschlicher Dimension zu beschreiben. – Und das ist dann ökumenisch? – fragte Sawa. – Ökumenisch, natürlich ist es das, beeilte sich der Deutschübersetzer zu versichern. – Kleiner, Mensch, Kleiner! ... – krächzte Grischa nur.
    Der Deutschübersetzer sprach bei Sawa vor. – Wir sind umgezogen, – sagte er, – versuchen Sie also nicht, uns zu finden. Hier ist Ihre Präsentation, – er streckte Sawa eine CD-ROM hin, – und die Übersetzung in die normale Sprache. Ich habe Ihnen ZWEI Exemplare ausgedruckt. Ohne Aufpreis. – Als der Deutschübersetzer gegangen war, rief Sawa seinen Bruder, und sie befingerten lange die CD und studierten die Übersetzung. Die Übersetzung bestand aus einigen Grundaussagen, die von anschaulichen Plänen und Zeichnungen begleitet wurden. Auf den Zeichnungen standen schematisierte Personen vor kleinen Häuschen, daneben ein schematisierter Heizofen, der aussah wie eine Feldküche bei der Armee, und schwarzer dichter Rauch stieg auf. – Hm, – sagte Grischa, – gute Arbeit von dem Kleinen. – Sieht aus, – sagte Sawa, – wie ein Evakuierungsplan im Flugzeug, im Falle eines Absturzes. – Der Präsentation zugrunde lag der den Brüdern schon bekannte Text über die malerischen Ecken und

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