Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
sein. Wie rasch eine Uhr schlägt, hängt also davon ab, wie rasch sie sich im Raum bewegt. In raffinierten Experimenten hat man gezeigt, daß eine Uhr auf der Erde und eine andere, die auf einer Rakete durch das All schießt, unterschiedlich schnell gehen.
Sehr anschaulich wurde ich an das Relativitätsprinzip erinnert, als ich zu einem Highschool-Treffen eingeladen wurde. Obwohl ich die meisten meiner Klassenkameraden seit dem Schulabschluß nicht mehr gesehen hatte, nahm ich an, sie alle würden die gleichen vielsagenden Anzeichen des Alterns erkennen lassen. Wie erwartet, konnten die meisten von uns mit Erleichterung feststellen, daß der Alterungsprozeß eine universelle Erscheinung ist: Alle wiesen wir graue Schläfen, schwindende Taillen und ein paar Falten auf. Obwohl in Raum und Zeit durch viele tausend Kilometer und zwanzig Jahre getrennt, waren wir übereinstimmend davon ausgegangen, daß die Zeit für alle gleichmäßig verstrichen war. Wir hegten die selbstverständliche Überzeugung, daß wir alle im gleichen Tempo gealtert seien.
Doch dann stellte ich mir vor, was geschähe, wenn ein Klassenkamerad auf dem Treffen erschiene, der genauso aussähe wie am Tag des Schulabschlusses. Vermutlich hätten wir ihn zuerst alle fassungslos angestarrt. War das noch der gleiche Mensch, den wir vor zwanzig Jahren gekannt hatten? Und nachdem die Leute sich davon überzeugt hätten, wäre es im Saal zu einer Panik gekommen.
Uns hätte diese Begegnung völlig aus der Fassung gebracht, weil alle Menschen stillschweigend annehmen, daß die Uhren überall gleich schlagen, selbst wenn sie durch riesige Entfernungen getrennt sind. Doch wenn die Zeit die vierte Dimension ist, dann lassen sich Raum und Zeit durch Drehung ineinander verwandeln und die Uhren können je nachdem, wie rasch sie sich bewegen, unterschiedlich schnell gehen. Der fiktive Klassenkamerad hätte beispielsweise eine Rakete besteigen können, die sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegte. Für uns hätte der Raketenflug zwanzig Jahre gedauert. Doch für ihn hätte sich die Zeit in der dahinrasenden Rakete verlangsamt und so wäre er seit dem Abschlußtag nur um ein paar Augenblicke gealtert. Nach seinem Empfinden hätte er die Rakete bestiegen, wäre ein paar Minuten lang ins All aufgestiegen und rechtzeitig auf der Erde gelandet, um nach einem kurzen, unterhaltsamen Abstecher in den Weltraum das zwanzigjährige Highschool-Treffen zu besuchen, wo er unter all den ergrauenden Häuptern sein unverändert jugendliches Erscheinungsbild präsentiert hätte.
An den Umstand, daß die vierte Dimension die Naturgesetze vereinfacht, bin ich auch stets erinnert, wenn ich an meine erste Begegnung mit den Maxwellschen Feldgleichungen zurückdenke. Jeder Studienanfänger, der sich mit der Theorie der Elektrizität und des Magnetismus auseinandersetzt, muß sich mehrere Jahre abmühen, bis er diese acht abstrakten Gleichungen beherrscht, die außerordentlich häßlich und unübersichtlich sind. So plump und schlecht erinnerlich sind sie, weil Zeit und Raum getrennt behandelt werden. (Bis auf den heutigen Tag muß ich sie in einem Buch nachschlagen, um sicherzugehen, daß ich alle Vorzeichen und Symbole richtig eingesetzt habe.) Ich weiß noch, mit welcher Erleichterung ich zur Kenntnis nahm, daß diese Gleichungen zu einer ganz harmlos aussehenden Gleichung zusammenschrumpfen, wenn man die Zeit als die vierte Dimension behandelt. In meisterhafter Vereinfachung bringt die vierte Dimension diese Gleichung in eine ästhetisch ansprechende, überschaubare Form.5 Dergestalt geschrieben, besitzen die Gleichungen eine höhere Symmetrie; das heißt, Raum und Zeit lassen sich ineinander verwandeln. Wie eine wunderbare Schneeflocke, die sich gleich bleibt, wenn man sie um ihre Achse dreht, bleiben Maxwells Gleichungen, in relativistische Form gebracht, einander gleich, wenn wir aus dem Raum durch eine Drehung die Zeit machen.
Bemerkenswerterweise besitzt diese eine einfache Gleichung, in relativistische Form gebracht, den gleichen Inhalt wie die acht Gleichungen, die Maxwell vor mehr als hundert Jahren entwickelt hat. Diese eine Gleichung bestimmt die Eigenschaften von Dynamos, Radargeräten, Radioapparaten, Fernsehgeräten, Laserlicht, Haushaltsgeräten und die wunderbaren Errungenschaften der Unterhaltungselektronik, die wir alle in unseren Wohnzimmern haben. Das war eine meiner ersten Begegnungen mit dem Begriff der Schönheit in der Physik – die
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