Hyperspace: eine Reise durch den Hyperraum und die zehnte Dimension ; [Einsteins Rache]
berechnen, was geschieht, wenn zwei Teilchen zusammenstoßen, ein Verfahren anwenden, das sie Störungsrechnung nennen – eine etwas hochtrabende Art zu sagen, daß sie intelligente Näherungen verwenden. In Abbildung 5.2a sehen wir beispielsweise, was geschieht, wenn ein Elektron mit einem anderen schwach wechselwirkenden Teilchen zusammenstößt, dem schwer nachzuweisenden Neutrino. Ganz grob läßt sich diese Wechselwirkung durch ein Diagramm (das sogenannte Feynman-Diagramm) beschreiben, das zeigt, wie ein Quantum der schwachen Wechselwirkungen, das W^Teilchen, zwischen dem Elektron und dem Neutrino ausgetauscht wird. In einer ersten Annäherung führt das zu einer groben, aber passablen Übereinstimmung mit den Versuchsdaten.
Doch nach der Quantentheorie müssen wir dieser ersten Schätzung kleine Quantenkorrekturen hinzufügen. Ferner müssen wir, wenn unsere Berechnungen stimmen sollen, Feynman-Diagramme für alle denkbaren Graphen auffuhren, auch solche, die »Schleifen« enthalten (vgl. Abbildung 5.2b). Im Idealfall sind diese Quantenkorrekturen sehr geringfügig. Wie oben erwähnt, sollte die Quantentheorie nur winzige Korrekturen an der Newtonschen Physik vornehmen. Doch sehr zum Entsetzen der Physiker waren diese Quantenkorrekturen oder »Schleifengraphen« alles andere als klein: Sie erwiesen sich als unendlich. Da konnten die Physiker ihre Gleichungen drehen und wenden, wie sie wollten, oder versuchen, die unendlichen Größen zu verstecken – mit schöner Regelmäßigkeit traten die Divergenzen in jeder Berechnung von Quantenkorrekturen auf.
Außerdem stand das Yang-Mills-Feld in dem Ruf, es sei im Vergleich zum einfacheren Maxwellschen Feld verteufelt schwer zu berechnen. Das Yang-Mills-Feld hatte den Mythos erworben, daß es einfach zu kompliziert für praktische Rechnungen wäre. So war es vielleicht ein Glücksfall, daß ‘t Hooft erst an seiner Doktorarbeit saß und noch nicht von den Vorurteilen der »erfahreneren« Physiker beeinflußt war. Mit Hilfe von Techniken, die von seinem Doktorvater Martinius Veltman entwickelt worden waren, wies ‘t Hooft nach, daß das Yang-Mills-Feld bei jedem »Symmetriebruch« (der später zu erklären sein wird) zwar eine Masse annimmt, aber eine endliche Theorie bleibt. Wie er zeigte, lassen sich die Unendlichkeiten, die durch die Schleifengraphen entstehen, beseitigen oder hinund herschieben, bis sie harmlos werden.
Fast zwanzig Jahre, nachdem Yang und Mills ihr Feld vorgeschlagen hatten, konnte ‘t Hooft darlegen, daß das Yang-Mills-Feld eine eindeutig definierte Theorie der Teilchenwechselwirkungen ist. Die Nachricht von ‘t Hoofts Arbeit breitete sich wie ein Lauffeuer aus. Als der Nobelpreisträger Sheldon Glashow die Neuigkeit vernahm, rief er aus: »Entweder ist dieser Bursche völlig verrückt, oder das größte Genie, das die Physik seit Jahren hervorgebracht hat!« Nun war die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Rasch konnte gezeigt werden, daß eine frühere Theorie der schwachen Wechselwirkungen, 1967 von Steven Weinberg und Abdus Salam vorgeschlagen, korrekt war. Mitte der siebziger Jahre wurde das Yang-MillsFeld auf die starken Wechselwirkungen angewendet. In den siebziger
Abbildung 5.2. (a) Wenn subatomare Teilchen zusammenstoßen, tauschen sie nach der Quantentheorie Energiepäckchen oder Quanten aus. Elektronen und Neutri- nos wechselwirken durch den Austausch eines Quantums der schwachen Kernkraß, des W-Teilchens. (b) Um die vollständige Wechselwirkung von Elektronen und Neutrinos zu berechnen, müssen wir eine unendliche Reihe von graphischen Dar- stellungen, sogenannten Feynman-Diagrammen, addieren, in denen die Quanten in immer komplizierteren geometrischen Mustern ausgetauscht werden. Diese Addition einer unendlichen Reihe von Feynman-Graphen bezeichnet man als Störungsrechnung.
Jahren setzte sich auch die aufregende Erkenntnis durch, daß sich das Geheimnis der gesamten Kernmaterie mit Hilfe des Yang-Mills-Feldes lüften läßt.
Das war das fehlende Teilchen des Puzzles. Das Geheimnis des Holzes, das die Materie zusammenhält, war das Yang-Mills-Feld, nicht die Einsteinsche Geometrie. Offenbar war dieses Feld und nicht die Geometrie der entscheidende Aspekt der Physik.
Das Standardmodell
Heute ermöglicht das Yang-Mills-Feld eine umfassende Theorie aller Materie. Tatsächlich setzen wir so viel Vertrauen in diese Theorie, daß wir sie einfach als Standardmodell bezeichnen.
Das Standardmodell kann
Weitere Kostenlose Bücher