I love you, honey
aufblickt, als wir den Raum betreten. Kamal schaltet das Fernsehgerät ein und findet im Programm einen sentimentalen Liebesfilm. Wir sitzen dicht an dicht auf einer niedrigen Sitzbank. Ab und zu sehe ich ihn von der Seite an und bin fast wieder so glücklich wie am Anfang unserer Beziehung. Allerdings verspüre ich immer noch ein gewisses Unbehagen wegen der vergangenen Nacht. Vielleicht vergeht dieses Gefühl wieder, ich hoffe es sehr. Jetzt will ich einfach nur das wiedergewonnene Glück mit ihm genießen.
Während der nächsten Tage ist Kamal sehr aufmerksam mir gegenüber. Er liest mir jeden Wunsch von den Augen ab. Er kauft mir sämtliche Lebensmittel, auf die ich Appetit habe: Erdbeeren, Wassermelonen, Ananas, Kuchen vom Bäcker, einfach alles. Ich glaube, seine Mutter stellt ihm im Moment etwas mehr Geld zur Verfügung, weil ich hier bin. Während ich noch schlafe, geht er manchmal auf den Markt und bringt mir kleine Geschenke mit: Ein Portemonnaie, eine kleine Vase, eine Haarspange. Wahrscheinlich möchte er dadurch wieder mein Vertrauen gewinnen. Es gelingt ihm auch, ich lasse mich wieder vorbehaltlos auf ihn ein. Die schreckliche Erinnerung an jene Nacht versuche ich zu verdrängen. Ich wünsche mir immer noch, mein Leben mit ihm zu teilen. Kamal möchte Marokko nicht verlassen, weil er hier seine Wurzeln hat. Für mich wäre es auch keine Option gewesen, ihn zu heiraten und dann später nach Deutschland zu gehen. Ich hätte dann auch immer das schlechte Gefühl gehabt, dass ich vielleicht Mittel zum Zweck gewesen wäre. Außerdem wäre Kamal in Deutschland ohne seine Familie und Freunde noch weniger zurechtgekommen als hier in Marokko. Er hätte die Sonne und das Meer vermisst, auch liebt er es, zu angeln und abends den Fischern Gesellschaft zu leisten und ihnen beim Netze flicken zuzugucken. Ich glaube, in Deutschland wäre er sehr unglücklich und deshalb werde ich nach Marokko ziehen.
Heute ist der Tag der Abreise. Der Abschied schmerzt, aber ich weiß, ich werde Kamal bald wieder sehen. In Deutschland werde ich den Umzug vorbereiten und dann hoffentlich in ungefähr einem Monat wieder in Rabat sein. In dieser Zeit wird Kamal eine Wohnung für mich und einen geeigneten Raum für ein Café suchen. ,,I love you honey“, sagt Kamal beim Abschied in Casablanca. Ich fühle mich geliebt. Ein letztes Mal sehe ich in seine schönen Augen und dann gehe ich durch das Gate. Ich drehe mich um und winke ihm zu. ,,Goodbye“, ruft er, , ,Come back soon.“ Ja, ich werde bald zurückkommen, so schnell ich kann.
Vorbereitungen für die Auswanderung
Zurück in Deutschland fange ich sofort an, alles für meinen Umzug zu planen. Ich setze eine Anzeige in die Zeitung und bald schon sind meine wenigen Möbel verkauft. Zum Schluss bleiben nur noch ein paar persönliche Dinge und meine Bücher übrig, die ich bei meiner Mutter in den Keller stelle. Ich kündige meine Wohnung und finde zum Glück schnell einen Nachmieter. Für die verbleibende Zeit ziehe ich bei meiner Mutter ein. Wir reden viel über meine Zukunft. Meine Mutter ist zuversichtlich, sie weiß, wie viel Kamal mir bedeutet. Auch glaubt sie, dass er mich aufrichtig liebt. Inzwischen habe ich von Kamal erfahren, dass in der Nähe der Medina ein kleines Café zu vermieten ist. Das wäre ideal, denn ich möchte ein Café für Touristen eröffnen. Ich kann mich in Englisch, Französisch, Spanisch und natürlich Deutsch verständigen. Außerdem habe ich schon öfters als Kellnerin gejobbt, so dass ich mich im Servicebereich auskenne. Kamal könnte hinter dem Tresen stehen. Die Ablösesumme für das Café ist nicht allzu hoch, nur umgerechnet 3000 Euro und die monatliche Miete beträgt 220 Euro. Ich möchte das Café selbst besichtigen und ich hoffe, Kamal kann den Eigentümer so lange hinhalten, bis ich komme. Meine Mutter borgt mir das Geld für die ersten beiden Mieten. Die Ablösesumme wird von Kamals Verwandten bezahlt. Ich bin sehr froh über diese guten Nachrichten. Außerdem hat er eine kleine Wohnung im Parterre eines Zweifamilienhauses in Salé für mich gefunden. Sie kostet 250 Euro im Monat. Ich bin mir sicher, dass Kamal mir eine schöne Wohnung ausgesucht hat. Mit den Einnahmen durch das Café müssten wir die Mieten und unseren Lebensunterhalt bezahlen können. Ich brauche nicht viel Geld zum Leben, denn ich bin ziemlich anspruchslos. Außerdem wohnt Kamal weiterhin in seinem Familienhaus, wo er mit Essen versorgt wird.
Meine Abreise
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