I love you, honey
Sturm. Das würde besser zu meiner momentanen Stimmung passen.
Ich gehe die Straße hinunter zu einem kleinem Café am Strand, wo ich der einzige Gast und ungestört bin. Dort kann mich Kamal auch sehen, wenn er den Weg aus der Pension hinunterläuft. Von meinem Platz aus kann ich direkt auf das azurblaue Meer sehen. Wie wunderschön! Meine Stimmung bessert sich etwas und ich bestelle mir bei dem älteren, freundlichen Kellner einen Kaffee. Langsam beginne ich zu begreifen, was letzte Nacht geschehen ist. Ich bin zwar nicht geschlagen worden, aber das Gefühl einem Mann ohnmächtig ausgeliefert gewesen zu sein, war demütigend und ich weiß nicht, wie ich auf den Vorfall reagieren soll. Vielleicht wiederholt sich Kamals aggressives Verhalten mir gegenüber und ich sollte mich vielleicht gleich von ihm trennen. Bei dem Gedanken an Trennung krampft sich sofort mein Magen zusammen. Ich bin verstrickt in diese Beziehung; ein Leben ohne Kamal kann ich mir nicht mehr vorstellen. Hin- und hergerissen von meinen Gefühlen starre ich auf das Meer und merke, wie mir die Tränen kommen. Mein Verstand sagt mir: ,,Trenn´ dich lieber von ihm, wer weiß, was noch passiert“, aber mein Herz schlägt immer noch für ihn. Ich nehme mir vor, mit ihm über die vergangene Nacht zu sprechen.
Endlich sehe ich Kamal auf das Café zukommen. Er wirkt angespannt und verschlossen. ,, Hello“, begrüßt er mich und weicht meinem Blick aus. Wahrscheinlich hat er mir ge genüber Schuldgefühle. Ich erwarte, dass er sich gleich bei mir entschuldigen wird. Aber Kamal sitzt nur mit versteinerter Miene da und sagt gar nichts. Obwohl ich Schweigen von ihm gewohnt bin, wirkt er jetzt völlig unnahbar. Ich weiß nicht, wie ich ein Gespräch anfangen soll: ,,Warum hast du das letzte Nacht mit mir gemacht?“, frage ich ihn endlich. Er gibt keine Antwort. Langsam werde ich ärgerlich. ,,Sprich mit mir“, fordere ich ihn auf. Kamal zeigt keine Reaktion. Was ist das für eine Taktik? Ist er jetzt völlig verrückt geworden? Plötzlich steht er auf und bezahlt unsere Kaffees. ,, I´m tired. I´ll go to sleep again.“ Er will wieder schlafen gehen und mich hier alleine sitzen lassen? Wut steigt in mir hoch, ich lasse mich nicht so herablassend behandeln! Mein alter Kampfgeist kehrt zurück. Ich laufe ihm hinterher und rufe: ,, Ich möchte jetzt sofort mit dir reden oder ich packe meine Tasche und reise ab!“ Das scheint zu wirken, er bleibt stehen und lächelt mich sogar an. Ich werde traurig, als ich sein Lächeln sehe. Jetzt erkenne ich den alten Kamal wieder. Das kann doch nicht das Ende sein! Wir lieben uns doch. Kann man da nicht doch vielleicht einen Ausrutscher verzeihen?
,,Ok , come“, sagt Kamal und wir gehen gemeinsam in die Pension zurück.
Versöhnung
Als wir das Haus betreten, herrscht immer noch eine Spannung zwischen uns. Keiner von uns findet die richtigen Worte, um die Mauer des Schweigens zu durchbrechen. Nimm mich doch einfach in den Arm, wünsche ich mir. Als hätte Kamal meine Gedanken gelesen, kommt er endlich auf mich zu. Er umarmt mich und legt seinen Kopf auf meine Schulter. ,, I love you so much, honey“, sagt er leise. Ich merke, wie mein Hals von seinen Tränen feucht wird. Ich klammere mich an ihn, als würde ich ihn nie mehr loslassen wollen. ,,I love you, too, my Kamal“, wispere ich in sein Ohr. Langsam befreien wir uns aus unserer Umarmung und ich sehe ihm direkt ins Gesicht: ,, Kamal, warum trinkst du so viel Alkohol?.,, I`ll tell you.“ Er erzählt mir von seiner Kindheit. Mit vierzehn hat in seine Mutter nach Beni-Mellal zu seiner älteren Schwester geschickt. Sie hatte ihr zweites Kind bekommen und Kamal sollte sie im Haushalt unterstützen. Er fand keinen Anschluss in der neuen Schule und seine Schwester und sein Schwager kümmerten sich nicht um ihn. Er vereinsamte immer mehr und bat seine Mutter, ihn nach Rabat zurückzuholen. Sie aber bestimmte, dass er noch drei Jahre dort bleiben sollte. Zu dieser Zeit fing er dann an, Alkohol zu trinken. Er fand die falschen Freunde und bald trank er dreimal in der Woche, mal mehr, mal weniger. Zurück in Rabat konzentrierte er sich zunächst auf die Schule und schloss sie als Jahrgangsbester ab. ,, I was the best“, erzählt er mir stolz. Aber immer wieder traf er Bekannte, mit denen er gemeinsam trank. Seine Familie ahnte davon, aber sie wissen bis heute nicht, was sie dagegen tun sollen. Sie sprechen ihn nicht direkt darauf an. Im Islam ist
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