I love you, honey
antworten kann, steht Kamal neben mir und schubst den Holländer an der Schulter: ,,This is my girlfriend. Go away!“ Der Mann ist so perplex, dass er überhaupt nicht reagiert. Ich versuche Kamal, zu beruhigen: ,,Es ist doch gar nichts passiert. Ich bin doch deine Freundin für immer. Lass uns gehen, bitte!“ Kamal lässt sich aber nicht beruhigen und sucht weiterhin Streit. So aggressiv habe ich ihn noch nie erlebt. Das soll mein Kamal sein?
Inzwischen hat sich die Security von dem Lokal eingeschaltet. Die muskelbepackten Männer versuchen, Kamal von dem Holländer wegzuziehen. Er wehrt sich und greift jetzt mit Fäusten die Sicherheitsleute an. Endlich gelingt es ihnen, ihn vor die Tür zu bringen und ihm wird Hausverbot erteilt. Er scheint jetzt ein bisschen ernüchtert zu sein und schlägt mit mir den Nachhauseweg ein. Ruhig läuft er neben mir her, aber ich traue dem Frieden nicht. Wir sind schon fast an der Pension angekommen, als sich plötzlich seine Aggression gegen mich richtet:,, Why did you speak with this man?“ Ich versuche ihm verständlich zu machen, dass ich überhaupt nicht mit dem Mann gesprochen habe. Kamal ist jetzt der Meinung, dass ich daran schuld bin, dass ich angesprochen wurde. Er ist fest davon überzeugt, aber ich kann seine Gedanken nicht nachvollziehen. Plötzlich beginnt er mich zu schubsen und schreit mich an: ,,You wanted to go with him, I´m sure!“ Ich hatte nie die Absicht mit dem Holländer wegzugehen, aber Kamal hört mir nicht mehr zu. Jetzt redet er auf Arabisch auf mich ein. Ich verstehe kein Wort, aber das ist vielleicht auch besser so. Auf einmal stößt er mich so heftig, dass ich das Gleichgewicht verliere und auf den Rücken falle. Mein Kopf schlägt direkt neben einem großen Stein auf. Ich liege im Dreck und denke: ,,Lieber Gott, lass mich nicht auf dieser staubigen Straße in Marokko sterben!“ Entsetzt, aber glücklicherweise unverletzt, rapple ich mich auf und halte vorsichtig Abstand zu Kamal. Ich bin fassungslos und kann immer noch nicht glauben, was gerade passiert ist. Wir beide sagen kein Wort und ich stehe völlig unter Schock. Endlich erreichen wir die Pension. Ich hoffe, dass Kamal jetzt Ruhe gibt und seinen Rausch ausschläft. Aber er hört nicht auf, Streit zu suchen. Ich habe mich auf den Stuhl in meinem Zimmer gesetzt, um mich kurz von den Ereignissen der Nacht auszuruhen. Als ich aufstehen will, steht Kamal vor mir, und stößt mich so, dass ich wieder zurückfalle. Das wiederholt er mehrere Male. Immer wieder wirft er mir vor, dass ich dem Holländer schöne Augen gemacht hätte. Schließlich kann ich das alles nicht mehr ertragen und fange an zu weinen. Plötzlich klopft es an der Tür. Der Nachtportier hat die lautstarke Auseinandersetzung gehört und erkundigt sich, was los ist. Wahrscheinlich verharmlost Kamal die Situation, denn wenig später unterhält er sich mit dem Mann auf dem Flur, als wenn sie sich schon ewig kennen würden.
Mich beachtet niemand mehr und ich schließe die Tür ab. Ich höre, wie der Nachtportier sich entfernt. Kamal steht hinter der Tür und sagt: ,,I ´m so sorry, honey“. Es tut ihm leid, aber ich gebe keine Antwort und hoffe nur, dass er jetzt endlich schlafen geht. Tatsächlich höre ich, wie er die Tür zu seinem Zimmer auf-und dann zuschließt. Endlich! Es dämmert schon und ein neuer Tag beginnt. Ich drehe mich auf die Seite und weine still in mein Kopfkissen.
Nach ein paar Stunden unruhigen Schlafs wache ich wie aus einem Albtraum auf. Ich bin immer noch völlig durcheinander. Mein Arm tut weh und ich entdecke mehrere blaue Flecken. Dort hat mich Kamal angefasst, als er mich gestoßen hat. Außerdem habe ich Abschürfungen am Bein von dem Sturz auf die Straße. Ich kann nicht glauben, dass Kamal mich so behandelt hat. Er war sturzbetrunken, aber das rechtfertigt nicht sein Verhalten. Ich fühle mich mutlos und deprimiert und beschließe, einen Kaffee trinken zu gehen; vielleicht weckt das ja meine Lebensgeister. Vorsichtig öffne ich die Tür und verlasse auf leisen Sohlen die Pension. Ich hoffe, dass Kamal noch schläft, denn ich möchte eine Konfrontation mit ihm vermeiden, um einen Augenblick alleine zu sein und meine Gedanken zu ordnen. Draußen blendet mich das grelle Sonnenlicht. Normalerweise mag ich sonnige, warme Tage, aber heute wünsche ich mir tiefschwarzen Himmel, Regen und
Weitere Kostenlose Bücher