Ice
Dank!
Storm muss seine Zöpfchen abgeschnitten haben, denn sein Haar ist nur wenige Millimeter lang. Ich erkenne ihn trotzdem an seinen hellbraunen Augen. Er hat sie geöffnet und starrt mich an, während ihn die Männer an mir vorüber tragen.
»Storm!« Mark drückt sich an Samantha vorbei und hilft den Trägern, den Warrior auf ein rollbares Bett zu legen. Seine nackte Brust ist blutverschmiert und ein Verband ist schräg über die Schulter und seinem Oberkörper gewickelt. Allerdings ist der Stoff schon durchnässt. Es sieht übel aus.
»Die Kugel ist in seinem Arm eingeschlagen und in seinen Körper gedrungen«, erklärt einer der Sanitäter, ein junger Mann mit rotem Haar. »Offenbar nicht zu tief und der linke Lungenflügel ist anscheinend unversehrt, ansonsten wäre er längst tot.«
Für mich sieht das nach einem gezielten Schuss an der Schutzweste vorbei aus. Einer der Warrior aus Resur muss ihn anvisiert haben. Storms Atem geht rasselnd, Blut läuft über seine Lippen.
»Mark«, flüstert er und hebt matt seinen Arm.
Der blonde Arzt streichelt ihm über das geschorene Haar und ergreift seine Hand, Tränen perlen über sein Gesicht. »Sprich nicht. Alles wird gut.«
Storm hustet Blut. »Es tut mir so leid, ich war verblendet und dumm … hätte dir glauben sollen. Als ich das Video gesehen habe … alles bereut … wollte wissen, ob es dir gutgeht. Daher habe ich mich dieser Mission angeschlossen.« Neues Blut läuft aus seinem Mund und er schließt die Lider. »Liebe dich …«
»Storm!«, ruft Mark.
Crome rüttelt an Storms Schulter. »Warum seid ihr hergekommen?« Doch der Warrior reagiert nicht.
Mark wischt sich mit dem Handrücken über die Augen. »Wir müssen ihn sofort operieren!«
»OP ist vorbereitet«, sagt ein grauhaariger Mann, der in den Gang eilt, und gemeinsam schieben sie Storm in einen anderen Raum.
Da erhält Crome eine Durchsage über Funk. Jax ist dran, er und seine Gruppe haben den Warrior eingekesselt. Er hat sich im Keller einer Ruine verschanzt, und sie kommen momentan nicht an ihn heran, weil sie den Zugang in den Trümmern nicht finden.
Crome atmet auf. »Okay, Resur ist erst mal sicher.« Dann wendet er sich an Miraja. »Bring Veronica zu uns, sollte sich die Lage ändern, sage ich dir sofort Bescheid.«
»Okay.« Miraja umarmt ihn und die beiden küssen sich. »Pass auf dich auf.«
Als er davonläuft, erkenne ich, dass er leicht humpelt. »Was ist mit seinem Bein?«
»Vor Kurzem hat ihn ein herumfliegendes Teil getroffen, als die Ethanolfabrik explodiert ist. Ich hätte ihn beinahe verloren.« Ich lese in ihrem Gesicht, dass sie das nicht überlebt hätte. Dann lächelt sie mich an. »Komm mit, jetzt zeige ich dir, wo wir wohnen.«
»Hier in diesem Gebäude?«
»Nein, ein Stück dahinter, dort wird eine neue Wohnsiedlung gebaut. Unser Haus ist bisher das einzige, das bewohnt ist. Es ist sehr ruhig dort. Ich liebe es.«
»Und was ist mit der Übertragung?« Die Outsider haben immer noch keinen Kontakt mit White City aufgenommen. Ob Vater sich um mich sorgt? Und was ist mit Ice?
Miraja schüttelt den Kopf. »Dazu brauchen wir Mark, er ist unser Technikgenie. Wir müssen warten, bis die OP vorbei ist.«
Während wir mit dem gläsernen Aufzug nach unten fahren, erzählt sie mir, dass ich solange in Kias Zimmer wohnen könnte, bis sie von der Bisonjagd zurückkommt. »Danach finden wir eine Lösung, falls der Senat sich querstellt.«
Ob sie ahnt, dass ich nicht mehr zurück möchte? »Solange ich nicht in der Besucherritze schlafen muss?«
Miraja und ich grinsen uns an. Ich bin so glücklich, sie wieder bei mir zu haben, auch wenn die Umstände nun völlig andere sind.
***
Am Abend sitze ich mit Miraja auf der Veranda ihres gemütlichen kleinen Hauses. Es ist winzig im Vergleich zu den zwei Stockwerken, die Vater und ich bewohnen, doch es strahlt viel mehr Wärme aus. Miraja hat versucht, einen kleinen Garten anzulegen – noch wächst nichts darin und ich erkenne nur Streifen mit Erde, vor denen faustgroße Steine die Begrenzung bilden. Dahinter erstreckt sich ein Zaun aus hohen Holzlatten, damit später kein Nachbar auf das Grundstück spähen kann.
Über den Latten spitzt die beleuchtete Spitze der Pyramide hervor und darüber funkeln die Sterne. Seit ich auf der Bank hocke, starre ich in den Himmel, zuvor konnte ich nicht genug davon bekommen, mit Miraja im Sonnenschein durch die Straßen zu gehen. Die Strahlen prickelten auf meiner Haut, ich spürte
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