Ice
meiner Mutter und meiner Schwester zu. »Setzt euch und schnallt euch an. Nur weg von hier.« Bevor er ins Cockpit geht, reißt er an einem Seitenfenster die Verkleidung herunter, sodass der Blick auf das Meer frei wird. Dabei grinst er mich an. »Falls die Ladys die Aussicht genießen möchten …«
Melissas blaue Augen glänzen. Sie hat sie weit geöffnet und lächelt Ice an, als wäre er ein Gott.
Dann lässt er uns allein.
Ich hocke mich zwischen Mama und Melissa in die vorderste Reihe, und wir schnallen uns an. Danach umarme ich meine Mutter. »Ich bin so froh, dass ihr es geschafft habt. Wie geht’s deinem Bein?«
Sie atmet zitternd ein. »Hab es mir nur verstaucht. Was ist denn genau passiert? Du musst mir jetzt alles in Ruhe erzählen.«
Als das Shuttle abhebt, beugt sich Melissa über meinen Schoß und schaut aus dem Fenster. »Seht euch das mal an! Ist das das Meer?«
Während wir von der Insel wegfliegen und die beiden fasziniert aus dem Fenster starren, erzähle ich ihnen, was sich in White City abgespielt hat. Als ich von der Hinrichtung berichte und welchen Gefahren wir alle ausgesetzt waren, blickt Mama mich an und Sorgenfalten zeichnen sich in ihrem makellosen Gesicht ab. Sie hat einige Schönheitsoperationen hinter sich und könnte glatt als unsere Schwester durchgehen.
»Was wird denn nun mit uns?«, fragt sie.
»Wir setzen euch in Resur ab. Das ist die Stadt der Outsider.«
Sie reißt die Augen auf.
»Keine Angst, dort seid ihr sicher, zumindest sicherer als in White City.«
Skeptisch runzelt sie die Stirn und kneift die Lider zusammen. »Und die Strahlung?«
»Alles im grünen Bereich.«
»Wirst du nicht mit uns kommen?«
Seufzend schüttle ich den Kopf. »Ich habe noch so viel zu erledigen. In White City geht alles drunter und drüber.«
»Ich weiß nicht, ob ich in dieser Outsiderstadt leben möchte.«
Ich liebe meine Mutter über alles, aber manchmal ist sie wirklich eigensinnig. »Das musst du nicht, es ist wirklich nur vorübergehend.« Ich glaube, Mama hat nie überwunden, dass Vater ihren Liebhaber hinrichten ließ. Seitdem wirkt sie manchmal abwesend und traut niemandem mehr.
Als sich das Schiff im Extraschubmodus befindet, schnalle ich mich ab. Ich muss mich unbedingt bei Ice bedanken.
»Gehst du zu ihm?« Melissa lächelt mich wissend an. »Er ist echt heiß.«
Während meine Mutter schmunzelnd die Augen verdreht und wieder nach draußen blickt, antworte ich selbstbewusst: »Ja, das ist er.«
»Seid ihr zusammen?«, will Melli prompt wissen.
Ich zwinkere ihr zu. »Na, was denkst du?«
Als sie mädchenhaft kichert, begebe ich mich ins Cockpit.
»Hallo, mein Held.« Ich beuge mich von hinten über den Sessel und umarme Ice. »Danke, dass du meine Familie gerettet hast. Und mich.« Ich lasse meine Hände an seiner Brust hinabgleiten und befühle seine Muskeln. »Ich weiß gar nicht, wie ich mich jemals revanchieren kann.«
»Mir fällt da genug ein.« Grinsend zieht er mich zu sich vor auf den Schoß.
Nachdem ich auf ihm Platz genommen habe, schlinge ich die Arme um ihn. »Nein, wirklich. Du tust alles für mich.« Ich streiche über seine stoppelbärtige Wange und schaue ihm tief in die Augen. An diesem Grau werde ich mich nie sattsehen können. Ice sieht müde aus. Ich wünschte, wir hätten schon alles überstanden.
»Wenn ich könnte, würde ich dir sogar einen Stern vom Himmel holen.« Er klingt todernst, doch seine grauen Iriden funkeln amüsiert.
»Der Spruch ist aber nicht von dir«, sage ich und küsse seine Nasenspitze.
Seine Brauen heben sich. »Traust du mir solch eine Poetik nicht zu?«
»Hmm …« Schmunzelnd tippe ich mir ans Kinn.
»Okay.« Er seufzt übertrieben. »Ich hab das aus einem Buch.«
»Du liest?« Mir wird klar, dass ich noch vieles nicht von ihm weiß.
Seine Hand schiebt sich unter meinen Po, um mich noch näher an ihn zu holen, wenn das überhaupt möglich ist. Ich verschmelze fast mit ihm.
»Mit irgendwas musste ich mich doch all die langen einsamen Stunden ablenken.«
Er meint es lustig, dennoch ballt sich mein Herz zusammen.
Seufzend schmiege ich mein Gesicht an seine Halsbeuge. »Du musst nie wieder einsam sein, mein Großer.« Ich fühle eine innere Ruhe wie schon lange nicht mehr, eine Art Seelenfrieden, dennoch scheint jeder Nerv zu vibrieren.
»Schade, dass wir noch einiges vor uns haben und jetzt Gesellschaft haben, sonst würde ich …« Als er mir die verruchtesten Dinge ins Ohr flüstert, kichere ich wie Melissa
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