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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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hatte tief durchgeatmet und die Augen zugemacht, die ich jetzt wieder öffnete und mich dabei entschlossen straffte. Nein, ich würde das Kleid nicht mit meinen Erinnerungen in Verbindung bringen. Es war kein Symbol oder irgendetwas in der Richtung, sondern nur ein Sommerkleid, und zwar ein wunderschönes.
    Es war ein tailliertes, klassisches Etuikleid, und es war rot, aber nicht einfach nur normal rot, sondern von jenem speziellen, satten, feurigen Rot einer Christbaumkugel, das wie von innen heraus leuchtet. Zu dem Kleid trug ich hochhackige schwarze Slingpumps (von denen ich mir spätestens in einer Stunde wünschen würde, sie nie angezogen zu haben), die mich zehn Zentimeter größer machten als meine mickrigen eins fünfundsechzig. Meine Haare fielen offen auf die Schultern, wo sie sich durch meine leichte Naturwelle von allein zu Locken kringelten. Zur Feier des Tages hatte ich sogar unter Olgas Anleitung ihr Augen-Make-up benutzt. Das Ergebnis nannte sich Smokey eyes und ließ mich ein bisschen verrucht und geheimnisvoll aussehen. Olga hatte mich, bevor sie zu ihren eigenen Samstagabend-Aktivitäten losgezogen war, lange gemustert und mir dann lobend mitgeteilt, dass ich in dem Kleid kein bisschen alt aussah. Ich hatte mich sehr über ihr Kompliment gefreut, weshalb mir erst, als sie längst weg war, auffiel, dass sie mir wieder nicht gesagt hatte, wohin sie wollte. Auch nicht, wie lange sie wegbleiben würde und wofür um alles in der Welt sie die Flasche Wodka brauchte, die sie sich ohne mein Wissen besorgt hatte und lässig unter den Arm geklemmt mitnahm.
    Ich hängte mir die Handtasche über die Schulter, griff nach einem dünnen Cardigan und wandte mich zur Tür. »Dann mach ich mich mal auf den Weg.«
    »Warte«, sagte Doro. »Nimm das noch.« Sie holte einen Mini-Parfümzerstäuber hervor. »Hab ich heute als Pröbchen bekommen, riech mal.« Sie sprühte mir etwas davon auf den Hals, und ich schnupperte der Duftwolke nach. Es roch wirklich sehr gut.
    »Was ist das?«
    »Es heißt Eau des Merveilles und ist von Hermès.«
    Meinem rudimentären Schulfranzösisch zufolge bedeutete das übersetzt »Wasser der Wunder«, und während ich noch überlegte, ob das vielleicht, bezogen auf den kommenden Abend, vielleicht ein gutes Omen war, ging die Wohnzimmertür auf und Mäxchen kam heraus – hellwach. Ich hatte die Kinder vor über einer Stunde hingelegt, und nur Minuten später hatten sie tief und fest geschlafen. Bis jetzt. Mit dem Killer-Instinkt eines Dreijährigen war Mäxchen genau in dem Moment aufgewacht, als ich gehen wollte.
    »Du riechst gut«, stellte er fest. Dann sah er Doro an. »Was machst du hier?«
    »Sie ist extra gekommen, um dir was vorzulesen«, sagte ich, während Doro hinter Mäxchens Rücken ein verzweifeltes Pantomimenspiel aufführte, mit dem sie mir zu verstehen gab, dass sie keine Ahnung hatte, wie man ein kleines Kind bei Laune hielt, geschweige denn es zum Schlafengehen animierte. Ich leistete ihr Schützenhilfe, indem ich die ungefähre Marschrichtung vorgab.
    »Wenn sie dir ein Bilderbuch vorgelesen hat, gehst du schön wieder ins Bett und schläfst weiter.«
    » Du sollst mir vorlesen.«
    »Das geht nicht, weil ich jetzt gleich mit Adrian ausgehe.«
    »Ich will auch mit.«
    »Heute Abend nicht.«
    »Warum nicht?«
    Mir fiel keine passende Erwiderung ein, aber dafür hatte Doro eine parat. »Manchmal müssen Männer und Frauen allein sein, Kleiner.«
    »Warum?«
    »Weil sie ab und zu Dinge tun möchten, die nicht jugendfrei sind.«
    »Was ist sugenfrei? «
    »Das verstehst du noch nicht, weil du zu klein bist.«
    »So was wie sechs?«
    »Hat er damit Sex gemeint?«, wollte Doro von mir wissen.
    »Keine Ahnung. Da muss er wohl mal was aufgeschnappt haben.« Zu dem Kleinen sagte ich: »Adrian und ich wollen uns nur in Ruhe unterhalten.«
    »Ich will mit«, verlangte Mäxchen. Seine Stimme hatte einen beunruhigend schrillen Unterton angenommen.
    Ungefähr zehn Minuten sowie einen Schweißausbruch und einen kindlichen Tobsuchtsanfall später war ich endlich bereit zum Aufbruch. Mäxchen hatte sich nach langwierigen Verhandlungen mit einer Partie Memory als Dreingabe zum Vorlesen bestechen lassen, plus ein Zoobesuch am nächsten Tag.
    »Dafür schuldest du mir was!«, rief Doro mir nach. Ihre Stimme klang erschöpft. »Ich meine – hallo?! Memory. Ein Baby-Spiel. Ich fass es nicht!«
    »Er wird dich haushoch schlagen«, rief ich zurück, was nicht übertrieben war. Niemand konnte

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