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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Adrian.
    »Warst du auch schon auf einer davon?«
    »Auf zwei oder drei. Es war immer ziemlich lustig. Sie kennt schräge Typen. Und nein, es hat sich keiner ausgezogen auf diesen Feiern, jedenfalls nicht, solange ich dabei war. Es wurde nur getrunken und getanzt und geredet. Und es gab solche Käse-Spießchen, wie sie meine Mutter früher gemacht hat. Mit Goudawürfeln und Pumpernickel und Weintrauben und so. Zum Nachspülen dann Wodka.«
    Die Erwähnung des Wodkas brachte etwas in mir zum Klingeln, und leicht besorgt fragte ich mich, ob Olga vielleicht auch auf dieser Party war. Aber dann beruhigte ich mich damit, dass sie dann wenigstens in Reichweite wäre.
    Wir schlenderten über die Berger Straße. Der warme Sommerabend hatte viele Leute ins Freie gelockt. Überall vor den Lokalen standen Tische und Stühle, es herrschte reges Kommen und Gehen. Bei dem Italiener war es voll, doch Adrian hatte einen kleinen Ecktisch für uns reservieren lassen. Der Kellner begrüßte ihn mit Vornamen, anscheinend hatte Adrian schon häufiger hier gegessen. Adrian rückte mir den Stuhl zurecht, und ich genoss die kleine Aufmerksamkeit, ebenso wie die Blicke, die mich von verschiedenen Seiten trafen. Es war aufregend, sich nach so langer Zeit wieder einmal als attraktive Frau zu fühlen. Natürlich lag das in erster Linie am Kleid, der Frisur, dem raffinierten Make-up und den hohen Schuhen, aber trotzdem war es Balsam für die Seele.
    Als der Kellner die Speisekarten brachte, hörte ich das Getuschel vom Nebentisch.
    »… sicher, dass es eine von denen ist?«
    »… auf der Beerdigung gesehen.«
    »… bestimmt acht oder neun von seinen Verflossenen …«
    »… so ’ne Art Heiratsschwindler.«
    Ich erstarrte. Von wegen attraktive Frau. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie zwei Paare am Nachbartisch die Köpfe zusammensteckten und dabei zu mir herüberschielten. Von den Frauen erkannte ich keine wieder. Aber die Männer … Einer von denen hatte die Urne getragen.
    »… Kleid ist aber toll.«
    »… Mann auch nicht übel …«
    »… haha, schon auf den Nächsten reingefallen …«
    In ganz Frankfurt gab es garantiert mindestens hundert Restaurants, und ausgerechnet in diesem einen musste ich dem Beerdigungstypen über den Weg laufen. Ich stand so hastig auf, dass ich fast den Stuhl umwarf. Adrian erhob sich ebenfalls, er wirkte ein bisschen erschrocken. »Charlotte?«
    »Ich möchte bitte gehen, es … gefällt mir hier doch nicht so gut«, stieß ich hervor, schon auf dem Weg nach draußen. Wieder spürte ich, wie mir die Blicke vom Nebentisch folgten, doch diesmal konnte ich sie besser einordnen. Es war die Art von Blicken, die man aus langsam vorbeifahrenden Autos erntet, während man als blutüberströmtes Unfallopfer auf der Straße liegt.
    Meine Kehle war derartig zugeschnürt, dass ich nur um Haaresbreite an einem Tränenausbruch vorbeischrammte. Ich stöckelte eilig die Straße entlang und schaute nicht nach rechts und links. Die Handtasche hielt ich fest an mich gedrückt. Adrian legte die Hand auf meinen Rücken, mit der anderen Hand hielt er mir meinen Cardigan hin. »Hier, das ist dir runtergefallen.«
    Ich riss ihm die Jacke aus der Hand und stopfte sie in die Tasche.
    »Wenn du wieder nach Hause willst …«
    Ich blieb abrupt stehen und holte tief Luft. Zum Teufel noch mal! Was tat ich hier eigentlich? Wieso ließ ich mir den besten Abend seit Langem von ein paar dämlichen Klatschmäulern ruinieren? Musste ich mich unbedingt wie eine alte Heulsuse aufführen?
    »Ich würde jetzt gern was trinken gehen«, sagte ich so sachlich wie möglich. »Aber wenn möglich woanders.«
    »Ich wüsste da ein nettes Lokal. Nur zwei Ecken von hier. Einfach, aber sehr gemütlich.«
    »Gemütlich klingt gut.«
    Er stellte keine Fragen, was ich ihm hoch anrechnete. Stattdessen sprachen wir über belanglose Dinge, etwa, wie warm es um die Uhrzeit noch war und wie belebt die Straße. Und dass wir vielleicht in der Apfelwein-Kneipe, die wir ansteuerten, noch eine Kleinigkeit essen könnten.
    »Die haben den besten Handkäs mit Musik weit und breit«, sagte Adrian.
    Hinter dieser hessischen Spezialität verbarg sich Stinkkäse in einer Tunke aus Essig und Öl mit reichlich Zwiebeln. Eine Art angemachter Harzer Roller. Nachdem ich einmal davon probiert hatte, war ich davon überzeugt, dass man ein aufrechter Frankfurter Patriot sein musste, um es zu mögen. Davon war ich noch weit entfernt.
    »Mir reicht glaube ich schon eine Brezel«,

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