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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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sie fuhr ja hier nicht Auto. Und der junge Mann, der mit ihr in der Abstellkammer auf dem aufblasbaren Bett übernachtet hatte, war bloß ein guter Freund.
    Was hätte ich darauf erwidern sollen? Meinen Einwand, dass gute Freunde sich für gewöhnlich nicht völlig unbekleidet zu einem ins Bett legten, wischte sie mit der Bemerkung zur Seite, dass die Leute in Russland gerne nackt schliefen, das sei da unter guten Freunden völlig normal. Damit war das Thema für sie abgehakt.
    Jeder Versuch, ihr Verhalten zu reglementieren, endete damit, dass sie schnippisch die Haare zurückwarf und sich demonstrativ die Stöpsel von ihrem iPhone in die Ohren schob. Immerhin übernahm sie es gnädig, nach dem Mittagessen eine Zeit lang die Kinder zu beaufsichtigen, damit ich zum Supermarkt, zur Bank und zur Apotheke gehen konnte, um für den nötigen Nachschub an Essen, Bargeld und Aspirin zu sorgen. Als ich wiederkam, teilte Olga mir mit, dass der Kripomensch angerufen hatte und sich bald wieder melden wollte. Die beiden Plagegeister Gregor und Kong hatte ich bei all dem Stress ganz vergessen, was mir allerdings nur recht war.
*
    Von Jennifer hörte ich weiterhin nichts, ein Zustand, der mich zermürbte. Am Nachmittag kam endlich eine Nachricht von ihr, die in der Mailbox von Olgas Handy landete und die ich – Stunden später, als es Olga einfiel, mir davon zu erzählen – abhörte.
    »Hier in London ist alles supi!«, sagte Jennifer mit aufgesetzter Fröhlichkeit. »Bloß mit dem doofen Pass dauert es noch ein kleines bisschen. Aber spätestens Sonntag bin ich wieder im Lande!«
    Ich wollte gerade schon erleichtert aufatmen, als sie fortfuhr: »Falls nicht, bring bitte am Montag die Kinder in den Kindergarten, Olga. Die Ferien sind ja dann vorbei.«
    Ich starrte Olgas Smartphone an, als könnte es beißen.
    »Drück meine beiden Schätze ganz doll von mir und sag ihnen, dass Mami sie sehr lieb hat!«
    An dieser Stelle versagte ihr die Stimme kurz, und es schnürte mir das Herz zusammen vor Mitleid und Sorge.
    »Und sag Charlotte, dass ich ihr sehr dankbar bin, weil sie sich noch etwas länger als geplant um die Kinder kümmert und dass ich ihr das Geld auf alle Fälle überweise, sobald ich wieder da bin.«
    An das Geld hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht, und obwohl ich es ohne Frage wirklich dringend brauchen konnte, zweifelte ich mittlerweile ernstlich daran, ob daraus noch was werden würde.
    Immerhin war ich diesmal so geistesgegenwärtig, mir die Nummer zu notieren, von der aus Jennifer angerufen hatte. Probehalber rief ich gleich zurück, aber es meldete sich nur die Mailbox, mit einer Ansage auf Englisch, gesprochen von einem Mann namens Simon Irgendwas – das konnte nur der rothaarige Gentleman sein, der Jennifer schon häufiger in Notsituationen zur Seite gestanden hatte. Diesmal hatte er ihr offensichtlich sein Handy geborgt, damit sie mal eben ein Lebenszeichen in Deutschland hinterlassen konnte. Ich hätte eine Nachricht auf die Mailbox sprechen können, trennte aber die Verbindung, bevor die Ansage zu Ende war, weil ich keine Ahnung hatte, was ich sagen sollte.
    Danach übernahm ich die undankbare Aufgabe, den Kindern schonend beizubringen, dass ihre Mutter an diesem Tag noch nicht heimkommen würde, sondern erst in drei Tagen. Zu meiner Erleichterung flossen keine Tränen, was ich wohl als Zeichen werten durfte, dass die Kinder sich mittlerweile ausgesprochen wohl bei mir fühlten. Und auch bei den Ansaris, wo sie zwischendurch für ein Stündchen zum Spielen gewesen waren und hinterher mit roten Bäckchen und einem großen Teller voller frisch gebackener orientalischer Gewürzteilchen zurückgekommen waren.
    Mäxchen erkundigte sich lediglich neugierig, was ein Pass sei, und als ich es ihm beschrieben hatte, wollte er wissen, warum man unbedingt einen brauchte. Meine Erklärung zog weitere Warum-Fragen nach sich (bei ihm klang es eher wie Wahum ), bis er schließlich nach eingehender Erörterung des Themas unverhofft wissen wollte, warum man sich nicht einfach selber einen Pass malen konnte. Das wiederum brachte Paulinchen auf die Idee, für ihre Barbie einen Pass zu machen, worauf ihr Bruder nicht zurückstehen wollte und aus Papier und Pappe einen für seine Lieblings-Transformers-Figur bastelte. Mit meiner Hilfe schnitten die Kinder die selbst gemachten Ausweise aus und beklebten sie mit passenden Barbie- und Transformers-Fotos, die ich im Internet heraussuchte und ausdruckte.
    So ging der restliche Tag

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