Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
Polizeidienststelle in Ponferrada. Zum Glück spricht Anne nicht nur gut, sondern eben perfekt Spanisch und ihr ausgebufftes Krisenmanagement in der Behörde ist schlicht hervorragend. Die zwei Beamten sind ausgesprochen hilfsbereit und begrüßen meinen spontanen Einsatz für das Tier ausdrücklich. Nachdem ich die Möglichkeit, Pepe zu adoptieren, ernsthaft erwäge, erklärt mir einer der Polizisten, dass das mit unglaublichem Papierkram, langen Wartezeiten für mich und einer quälend langen Quarantäne für das arme Tier verbunden sei. So rät er mir dringend, Pepe in die Obhut eines privaten Tierasyls mit einer guten Vermittlungsquote zu geben. Mehrmals frage ich den Beamten, ob er mir persönlich garantieren könne, dass der Hund nicht getötet werde. Über die Tierhaltung in Spanien habe ich schon die fürchterlichsten Geschichten gehört und ich rette doch kein Tier, um es dann geradewegs seinem sicheren Ende zuzuführen! Glaubhaft versichert der Beamte mir, dass ich mich auf sein Wort absolut verlassen könne, und so gestatte ich ihm nach einer guten Stunde, den alles entscheidenden Anruf zu tätigen.
Wenig später trifft der kleine Lieferwagen des spanischen Tierschutzes vor der Wache ein. Der ehrenamtliche Vertreter der Organisation ist ein sehr angenehmer rustikaler Herr, der mit Hunden gut umzugehen weiß, denn Pepe ist vom ersten Moment an total begeistert von ihm und weicht nicht mehr von seiner Seite. Auch dieser Herr muss mir dann ein paar Mal versichern, den Hund mit Seidenhandschuhen anzufassen, und erst, nachdem er mir seine Visitenkarte überreicht hat, gestatte ich ihm, den kleinen Pepe in den Wagen zu verbringen. Als der Hund erwartungsvoll auf der geöffneten Ladefläche sitzt, atmen Sheelagh und Anne vernehmbar durch und lächeln zufrieden. Der Hund macht keine Anstalten, zu mir zurückzuwollen, und so kann ich mich ganz ruhig von ihm verabschieden. Die Ladefläche wird geschlossen und der Wagen braust mit unbekanntem Ziel davon. Wie ein kleiner Junge stehe ich dann da und muss heulen! Einerseits aus Erleichterung, andererseits aus Erschöpfung und aus Trauer über den schnellen Verlust von Pepe. Aber es ist besser so, das spüre ich.
Die angelsächsischen Kulturbeflissenen besichtigen später noch die weltberühmte Templerburg aus dem Spätmittelalter, während ich restlos erschöpft von einer Bank aus mal wieder eine Sitzbesichtigung mache und mit hochgelegten dicken Füßen auf die baldige Rückkehr meiner Burgfräuleins warte, die mir ab und zu von der einen oder anderen Zinne mit hochroten Köpfen huldvoll zuwinken. Den Rest des Abends entspannen wir drei im herrlichen Ponferrada in einem von Sheelagh ausgewähltem exquisiten Restaurant.
Erkenntnis des Tages:
Tu das, was das Leben von dir verlangt!
10. Juli 2001 – Villafranca del Bierzo
Die Zeit zum Schreiben finde ich jetzt kaum noch, dabei gäbe es mehr festzuhalten denn je. Anne, Sheelagh und ich sind inzwischen eine verschworene Gemeinschaft und haben in der kurzen Zeit so etwas wie eine Familie gebildet. Sheelagh ist die Mama, die sich um alles kümmert, und Anne und ich sind ihre renitenten Kinder, die sich längst an eine ausgezeichnete Versorgung gewöhnt haben und sich entspannt hängen lassen. Sheelagh kümmert sich einfach um alles. Sie hält nach Restaurants, Geschäften, Sehenswürdigkeiten und weiteren Übernachtungsmöglichkeiten auf dem noch vor uns liegenden Weg Ausschau. Mein Reiseführer bleibt deshalb neuerdings auch im Rucksack, denn gegen Sheelaghs Orientierungssinn und ihren richtigen Riecher hat er einfach keine Chance. Noch wäscht und bügelt die Neuseeländerin mit dem großen Herzen nicht für uns, aber wenn es so weitergeht, ist auch das allenfalls noch eine Frage von Stunden. Denn mit Sicherheit hat sie auch ein Bügeleisen in ihrem Rucksack, so adrett, wie sie immer ausschaut.
Gestern Abend auf der Plaza haben wir einen dicken bärtigen Belgier von Mitte 40 kennen gelernt. Er pilgert von Gent aus nach Santiago und ist bereits seit drei Monaten unterwegs. Im Schlepptau hat er einen Versorgungswagen, der ihm vorausfährt, und einen Ü-Wagen des flämischen Radios, das täglich live vom Camino und Erics Erfahrungen berichtet. Na also, es gibt tatsächlich Pilger, die mit einem Ü-Wagen unterwegs sind! Erics Füße sind in einem Zustand der Verformung, den ich gar nicht beschreiben kann, aber sicher würden sie besser zu einem rosafarbenen Nilpferd passen als zu ihm.
Da wir heute deutlich
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