Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
Vom Netzwerk:
Ähnlichkeit mit den kleinen romantischen Weinorten im Ahrtal ist, je näher wir kommen, umso verblüffender, und als die schweren Kirchenglocken dann noch läuten, ist die Illusion perfekt. Also sage ich: »Look, Sheelagh, du wolltest es ja unbedingt sehen. Welcome to Germany!«
    Und in der Tat finden auch Sheelagh und Anne, dass das Örtchen von der nordspanischen Norm deutlich abweicht. Einige Kinder baden laut singend in dem Flüsschen und so fühlt sich Anne dazu ermutigt, ebenfalls in ihren Badeanzug zu schlüpfen und schwimmen zu gehen. Da meine Badeutensilien irgendwo auf dem Grund meines unordentlichen Rucksacks liegen, steht mir bei der brütenden Hitze nicht der Sinn danach, nach ihnen zu tauchen, und ich lasse das Bad aus Bequemlichkeit ausfallen. Nach Annes Erfrischungs plantschen gelüstet es die beiden Damen nach einer kleinen Sightseeing-Tour durch das ungewöhnliche historische Städtchen.
    Da wir uns eben doch nicht an der Ahr befinden, ist es für mich in der kesselartigen Talwanne eindeutig zu warm und so entscheide ich mich dafür, alleine weiterzuwandern, und zwar so langsam, dass mich die zwei spielend wieder einholen können. Zwischen uns dreien ist alles unkompliziert und funktioniert auf Zuruf und so stellt auch diese Etappe keinerlei Problem dar. Keiner spielt die beleidigte Leberwurst oder ist sauer. Unser Tagesziel Ponferrada dürfte nur noch knappe zwei, höchstens drei Stunden entfernt liegen. Nach einer kurzen Verabschiedung trotte ich unter der Nachmittagssonne gemächlich voran. Der Weg führt dann stetig immer weiter bergab Richtung Ponferrada.
     
     
    Unschätzbare Bereicherung: Freunde auf dem Weg zu haben  
     
    Während des Wanderns kommt mir ein alter Donna-Summer-Titel in den Sinn, den ich im Stillen vor mich hinsinge; »All through the night. You can lay your head on my shoulder. You can make love to my mind and if you feel the magic don’t be afraid.« Eine herrlich schwülstige Schnulze, die meine gute Stimmung nur noch weiter verbessert.
    Der Weg durchquert nach einigen Kilometern einen kleinen Ort namens Campo und ab dort führt der Camino nicht mehr durch die Natur, sondern direkt durch den langweiligen grauen Flecken immer an der viel befahrenen monotonen Landstraße entlang. Nach ein paar hundert Metern hat man ein letztes Mal die Möglichkeit, links in einen ruhigen Feldweg einzubiegen, der weiter vorne sogar einen Bogen Richtung Ponferrada zu machen scheint. Kein Pfeil oder Muschelwegweiser führt auf diesen Pfad, was bedeutet, dass er garantiert nicht der offizielle Jakobsweg ist, aber meine kleine Landkarte aus dem Rucksack zu fischen ist mir gerade zu anstrengend. Normalerweise gehe ich zwar nie, zumindest nicht willentlich, vom Weg ab, aber da die beiden Frauen hinter mir in der Ferne noch nicht auszumachen sind, habe ich ja Zeit und falls ich merken sollte, dass der Pfad ein Holzweg ist, kann ich ja immer noch zurücklaufen. Auch das hätte ich noch vor zwei Wochen sicher nicht freiwillig getan, aber jetzt lässt meine Kondition durchaus ein paar Experimente zu. Der einsame Naturpfad ist jedenfalls einladender als der sanierungsbedürftige Bürgersteig neben der lauten asphaltierten Straße.
    Also schlage ich diesen Weg ein und marschiere beschwingt irgendwohin, nur halt nicht mehr auf dem Jakobsweg. Ich weiß nicht warum, der Teufel reitet mich eben gerade.
    Der Donna-Summer-Song spukt noch immer in meinem Kopf herum und ich lasse mich mal wieder treiben. Nachdem ich nach circa einem Kilometer hinter der zweiten Kurve gelandet bin, führt der Weg eindeutig wieder dahin zurück, wo ich ursprünglich hergekommen war, in die Berge. Und während ich so ins Nichts schaue und gerade wieder wenden will, entdecke ich im letzten Moment in der Ferne an einer Weggabelung ein verbeultes Verkehrsschild und darunter ein kleines winselndes rotes Knäuel. Da hat doch wohl nicht jemand in dieser gnadenlosen Pampa einen Hund ausgesetzt und an dem Pfahl angebunden? Zu spät, ich kann jetzt nicht mehr so tun, als hätte ich nichts gesehen. Da sitzt ein kleiner Hund und schreit förmlich nach mir, denn auch er hat mich wahrgenommen. Die Chance, dass außer mir noch jemand heute hier vorbeiläuft, ist gleich null. Im Eiltempo trabe ich weiter in die falsche Richtung. Als ich an dem verrosteten Stoppschid ankomme, das kaum noch als solches zu erkennen ist, wartet da ganz aufgelöst, mit einem alten Strick angebunden, ein kleiner roter Hund. Ein ganz süßer Mischling, irgendwas

Weitere Kostenlose Bücher