Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
zwischen Spitz und Dackel, dessen Hals von dem dünnen engen Seil schon ganz wund gerieben ist. Noch nie hat sich irgendwer so über mein Kommen gefreut, vielleicht meine Mutter unmittelbar nach meiner Geburt, wie dieser kleine Kerl.
Der hat seit Tagen keine Menschenseele mehr gesehen. Kein Pilger geht vom Weg ab, aber ich Volltrottel hab natürlich nichts Besseres zu tun, als querfeldein zu latschen, um diesen quietschenden Hund zu finden! Der Strick lässt sich leicht lösen, also nichts wie raus aus der Sonne und zurück auf den offiziellen Weg. Na wunderbar, jetzt pilgere ich also tatsächlich mit einem Hund! Anne wird begeistert sein; ich sehe ihren Gesichtsausdruck schon vor mir. Von wegen »Wetten, du nimmst keinen Hund mit!«
Das musste ja so kommen! Ich habe es förmlich heraufbeschworen. Das pfiffige Tier ist einfach nur lieb und glotzt mich während des Weges zurück in das Kaff vollkommen fasziniert an. Der Hund und ich finden uns gegenseitig großartig und sind voneinander, glaube ich, ziemlich begeistert, auch wenn er bei genauerem Hinsehen fast so nervös und unbeherrscht wirkt wie Anne. Da sein Fell die Farbe von roten Pfefferkörnern hat und er wahrscheinlich Spanier ist, taufe ich ihn Pepe. O je, sobald man Tieren einen Namen gibt, baut man eine Bindung zu ihnen auf und kann sich nur schwer wieder von ihnen trennen... Nach mehrmaliger Nennung seines Namens reagiert er sogar halbwegs darauf. Der schlaue Spitz schimmert klar durch. Spanische Kommandos wie »Sitz!« oder »Platz!« begreift er hingegen überhaupt nicht, da macht sich also eher der trottelige Dackel bemerkbar.
Zurück im Kaff hole ich bei den Einheimischen, die mir begegnen, mit investigativen Fragen meine ersten privatermittlerischen Erkundigungen ein: »Haben Sie diesen Hund schon einmal gesehen?« und »haben Sie einen Hinweis auf den möglichen Besitzer!« Es herrscht allgemeine Ratlosigkeit und niemand will Pepe kennen oder gar haben. Ein älterer Herr gibt mir doch tatsächlich den Tipp, den Hund einfach wieder da anzubinden, wo ich ihn gefunden hätte. Auch in den Brot-, Friseur- und Blumen-G’schäfterln hat noch nie jemand das Tier gesehen und hat auch kein Interesse an ihm. Pepe ist hier genauso fremd wie ich. Der Hund scheint auch nichts und niemanden wiederzuerkennen und wenn ich stehen bleibe, tut er es auch und will auch, selbst wenn ich den Strick fallen lasse, überhaupt nicht weglaufen. In einer Bar bekommt er erst mal was zu trinken und säuft unglaublich viel. Der Hund ist ausgetrocknet. In einer Metzgerei kaufe ich drei dicke Fleischwürste, die er begeistert wegputzt. Danach hat er allerdings immer noch einen Mordshunger.
Am Ende des Ortes gibt es eine kleine Zoohandlung, in der ich dann mit ihm vorstellig werde. Die wollen ihn allerdings auch nicht haben. Da ich aber schon mal in dem Laden bin, kaufe ich eine Hundeleine und ein zum Fell passendes feuerrotes Halsband. So macht man das in Düsseldorf!
Gut, also in dem Kaff ist es aussichtslos, weiter nachzuforschen, und hier werde ich den Kleinen bestimmt nicht los. Also marschieren wir zwei im strammen Laufschritt nach Ponferrada. Die Stadt ist größer und dort erfahren wir sicher mehr Hilfsbereitschaft. Anne und Sheelagh müssten mich mittlerweile längst eingeholt haben und laufen sicher schon vor uns. Der Hund hat offensichtliches Vergnügen an meinem strengen Wandertempo. Den Camino würde er besser meistern als ich, nur wären wir zwei gezwungen draußen zu schlafen, denn vermutlich nimmt keine albergue, refugio oder Hotel Tiere auf.
Die Plaza von Ponferrada erreichen wir am späten glühenden Nachmittag; die ist zwar ausgesprochen anmutig, aber das ist an dieser Stelle gänzlich ohne Belang. Das Rathaus ist zum Glück noch geöffnet und so stiefeln wir zwei dort hinein. Eine sehr bemühte Stadtverwaltungsangestellte in langen Lederstiefeln erklärt mir, dass ich den Hund auf gar keinen Fall im Rathaus abgeben könne, und für den Fall, dass ich mit dem Gedanken spielen sollte, ihn einfach unterhalb des Rathauses anzubinden, er Gefahr laufen, von den städtischen Hundefängern abgeholt und somit getötet zu werden. Seine einzige Chance sei ein privates Tierheim, in welchem er bis zu seiner definitiven Vermittlung bleiben könne. Oder ich solle ihn doch einfach selber behalten, denn er würde doch gut zu mir passen und offensichtlich habe er sich ja schon prächtig an mich gewöhnt.
Eine Adresse eines Tierheims kann sie allerdings nicht beibringen, da
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