Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
Vom Netzwerk:
also vom Pilger zum Tramper!
    Zunächst darf ich aber noch einige Kilometer auf der Landstraße in Richtung Pamplona wandern. Wenigstens ist die flach. Autos können hier allerdings unmöglich anhalten, ohne eine Massenkarambolage zu verursachen. So lasse ich den Daumen unten. Die Straße ist im Übrigen nicht für verirrte, hinkende Pilger gedacht und insofern lebensgefährlich! Als sie seitlich in einen breiten Schotterstreifen mündet, stelle ich mich mit erhobenem Daumen in Position. Ich spüre, wie ich mich kaum noch auf den Füßen halten kann. Auf der bisher verkehrsreichen Straße will auf einmal kein Wagen mehr fahren. Also richte ich mich innerlich schon mal auf die eine oder andere Stunde Wartezeit ein.
    Ab und zu rasen Pkws in einem Affenzahn an mir vorbei. Die Insassen quittieren meinen Trampversuch meistens mit einem Kopfschütteln oder gar mit einem Stinkefinger. Die Sache scheint zum Scheitern verurteilt.
    Ich stecke mir eine Zigarette an. Kaum ist die angezündet, sehe ich in der Ferne einen kleinen weißen Peugeot auf mich zukommen. Also Daumen raus, Sonnenbrille runter, lächeln! Das habe ich das letzte Mal mit achtzehn in Griechenland gemacht. Da hat es auch nicht geklappt.
    Der Wagen kommt näher und ich erkenne mindestens drei Personen mit einem Haufen Gepäck darin. Also Daumen wieder runter, da hätte nicht mal mehr mein roter Rucksack Platz. Der Wagen wird langsamer und... er hält. Dem Nummernschild nach handelt es sich um Franzosen. Ein älterer Herr und zwei ältere Damen.
    »Où est-ce-que vous allez, Monsieur?« – Wo wollen Sie hin?
    »Nach Pamplona!«, sage ich und denke: Bitte lieber Gott, lass sie bloß nach Pamplona fahren!
    »Montez – Steigen Sie ein. Sie können ja erst mal nicht weiterlaufen!«, überrascht mich der Herr und ich frage: »Woher wissen Sie das?«
    Die Dame auf dem Rücksitz grinst mich an: »Sie tragen doch einen Knieschoner! Wenn ein Pilger aus eigener Kraft nicht weiterkann, muss man ihm helfen, finden Sie nicht? Das ist doch eine gute Tat.«
    Ich finde, dass das sogar eine ausgesprochen gute Tat ist, und quetsche mich zu der Dame auf den Rücksitz. Mein Rucksack und ich passen tatsächlich noch in die nette Runde. Der distinguierte Herr setzt die Fahrt fort und wendet sich nach hinten: »Da haben Sie aber Glück, dass wir Franzosen sind!« Ich schaue ihn verblüfft an und frage natürlich warum, in der Hoffnung, jetzt nicht Zeuge rassistischer Ausbrüche seitens der sympathischen Rentner werden zu müssen. »Wissen Sie«, fährt er fort, »die Spanier nehmen grundsätzlich keine Pilger mit. Die sind da rigoros. Wer den Weg nicht aus eigener Kraft schafft, schafft ihn eben gar nicht.«
    Sofort komme ich mir schuldig vor, aber mein Fuß tut weh und wer weiß, wofür diese Fahrt hier gut ist.
    Die drei Herrschaften kommen aus Toulouse. Schnell entsteht eine angeregte Unterhaltung. Mein Französisch ist ganz passabel, was mir auch meine Mitreisenden bestätigen. Die Dame vorne macht einen etwas geknickten Eindruck, deshalb frage ich: »Wohin geht die Reise?« – »Nach Logroño«, bekomme ich von ihr eine knappe Antwort, »liegt auch auf dem Pilgerweg.« Die Dame neben mir – eine entschlossene Mittfünfzigerin – ist aufgeschlossener: »Der Mann unserer Freundin da vorne ist von Toulouse bis nach Logroño auf dem Jakobsweg gepilgert, so wie Sie. Kurz vor Logroño hat er dann aus einer Quelle Wasser getrunken und eine fürchterliche Vergiftung bekommen, an der er beinahe gestorben wäre. Nun fahren wir ihn in der Klinik besuchen und in einer Woche wird er dann hoffentlich entlassen.«
    Für einen Moment bin ich sprachlos. Der Arme war schon fast fünfhundert Kilometer gelaufen und dann das! Mann, dieser Jakobsweg ist eine echte Herausforderung. Ich werde nur noch Mineralwasser aus der Flasche trinken.
    Pamplona ist schnell erreicht. Die Herrschaften bringen mich freundlicherweise direkt ins Zentrum. Gegenseitig wünschen wir uns alles Gute und ich bedanke mich noch mal ausdrücklich fürs Mitnehmen.
    In dem kleinen Hotel »San Nicolas« bekomme ich ein freies Bett. Das Fenster meines Zimmers im zweiten Stock öffnet sich direkt in einen dunklen Lichtschacht mit Kathedralenakustik... Irgendwo im Haus schreit sich prompt ein Baby die Seele aus dem Leib. Aber das Konzert gibt’s für nur siebzehn Mark die Nacht. Was soll’s? Es ist sauber, mitten in der Stadt und eine offizielle Pilgerherberge.
    Später humpele ich dann tapfer los, um mir die

Weitere Kostenlose Bücher