Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
Hause an: »Wissen Sie, wenn Sie wirklich so talentiert sind, wie Sie behaupten, dann nehmen Sie doch am 1. Passauer Kabarettwettbewerb teil. Da soll ein neuer Preis für Nachwuchskabarettisten vergeben werden. Das ›Scharfrichterbeil‹! Aber vorher sollten Sie erst mal Manieren lernen und mein einziger Tipp lautet: Schreiben Sie nie wieder irgendjemandem so einen Brief.«
Schon sehe ich mich natürlich mit einer glänzenden, wohlgeformten Trophäe in der Hand als Sieger auf einer Bühne stehen. Also wende ich mich an das »Scharfrichterhaus«. Ein politischer Kabarettist bin ich zwar nicht, aber bissig sind meine Texte durchaus!
Der Absagebrief aus Passau lässt nicht lange auf sich warten. Man erklärt mir darin sehr freundlich, dass es sich bei der Veranstaltung um einen Wettbewerb für Kabarettisten aus Süddeutschland, Österreich und der Schweiz handele. Mein Material sei zudem nicht überzeugend, da es eben nicht politisch sei.
Also gut, wird daraus eben nix! Zusammen mit meinem Kumpel Achim Hagemann hatte ich mich aber parallel beim WWF-Sprungbrett-Theater beworben. Wir zwei hatten eine musikalische Sketch-Revue entwickelt und die sollte es nun auf die Bretter des Kölner Theaters schaffen. Das Westdeutsche Werbe-Fernsehen will Talente im hauseigenen Theater fördern und gegebenenfalls auch auf den Sender bringen.
Wir zwei haben uns wieder mal mit einer im Kinderzimmer aufgenommenen Kassette beworben, deren Qualität offensichtlich nicht schlecht genug ist, um eine Einladung zum Casting zu verhindern. Wir sind dabei! Als wir in das kleine Theater kommen, ist es bis auf den letzten Platz gefüllt. Einhundertzwanzig Hoffnungsträger des Deutschen Fernsehens starren verkrampft auf die professionell ausgeleuchtete Bühne. Stepptänzer, Sänger, Komiker, Bauchredner, Zauberer und Akrobaten.
Die Chefin des Hauses, Ingrid Jehn, baut sich dann vor uns auf und führt sympathisch sächselnd aus, wie hart der Weg nach oben sei und dass sie sowieso nur drei Leute von den über einhundert Anwesenden nehmen könne, denn die restlichen Förderplätze seien bereits anderweitig vergeben – unter anderem an den zukünftigen Gewinner des noch auszutragenden Wettbewerbs um das »Scharfrichterbeil«.
Als sie ihren beeindruckenden Monolog beendet, trifft ihr Blick mich: »Du! Du hast so ein offenes Gesicht! Du fängst an.« Achim und ich tapern auf die Bühne. Er ans Piano, ich an den Mikroständer. Achim spielt um sein Leben und ich gebe auch mein Bestes.
Wir sind nicht mal nervös. Unschuld der Jugend! Die Konkurrentenschar in den plüschigen Sesseln bleibt ungerührt in denselben kleben. Nicht der Anflug einer Reaktion ist den stoischen Gesichtern abzulesen.
Kein Lied kann sie bewegen, kein Witz lässt sie schmunzeln. Achim und ich sind zwar die Ruhe selbst, aber erfolglos wie nie. Den ersten kleinen Lacher erziele ich, als ich verzweifelt versuche, das Mikrofon aus dem Mikroständer zu reißen. Ich will mich auf der Bühne bewegen und nicht nur auf der Stelle treten.
Nie zuvor habe ich so einen professionellen Mikrofonständer gesehen. Was weiß denn ich, wie man das Mikro da raus bekommt? Wie wild ziehe ich an dem Teil, bis es sich plötzlich ruckartig löst und mir gegen die Zähne donnert. Es splittert. Leider nicht das Mikro, sondern mein rechter Schneidezahn, der im hohen Bogen in die johlende Menge fliegt.
Wir ernten Begeisterung, Lachen und frenetischen Applaus. Alles das, was sich ein Künstler wünscht. Die Nummer mit dem Zahn hätte sogar prima Chancen in Las Vegas!
Entsetzt renne ich suchend über die Bühne: »Mein Pffahn, mein Pffahn, hat irgendjemand meinen Pffahn gesehen?« Der Saal brüllt. Vielleicht bin ich ja doch zum Komiker geboren? Der Einzige, der mir suchen hilft, ist mein Mann am Klavier, Achim. Der Zahn ist weg! Frau Jehn gibt uns nach unserer gänzlich verbotenen Performance mit einem feuchten Händedruck zu verstehen, dass sie nicht besonders beeindruckt gewesen sei. Es heißt nur kühl: »Wir melden uns dann bei Ihnen!« Mein künstlicher rechter Schneidezahn wird mich immer an diesen denkwürdigen Auftritt erinnern.
Drei Tage vor dem Wettbewerb in Passau bekomme ich einen unglaublichen Anruf. Der Direktor des »Scharfrichterhauses« ist persönlich am Telefon. Einer der Kabarettisten sei leider erkrankt und so sei ein Platz im Teilnehmerfeld frei geworden. Man habe sich aber überlegt, dass es schon dreizehn Bewerber sein sollten. Das sei schließlich eine gute Zahl fürs
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