Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
Programme auch noch zu sehen bekommen. Dieser Müll wird nur zu einem führen: Von der übertriebenen Achtung vor Promis geht es dann langsam über zur Verachtung, bis schließlich all diese so genannten Stars den Menschen gleichgültig werden. Wahrscheinlich muss man diese Sendung wie ein homöopathisches Mittel betrachten. Bei der Einnahme verschlimmern sich die Symptome, bevor das Ganze abklingt. Sei’s drum!
Diese Wut. Jeder hat so sein Problem. Meins scheint im Moment unterdrückte Wut zu sein. Kein Wunder, dass mir die Galle hochgekommen ist. Aber was genau ist denn nun Wut? Bin ich die Wut? Ist der Gegenstand, auf den ich wütend bin, die Wut? Ist die Wut gar Bestandteil meines Charakters?
Nehmen wir an, der Gegenstand, auf den ich wütend bin, ist ein Stuhl und ich schlage auf ihn ein. Dann ist der Stuhl doch nicht meine Wut und kann sie auch nicht verursacht haben.
Wenn ich mich nach stundenlangem Gehen auf einen Stuhl setzen kann – das passiert mir im Moment nebenbei gesagt täglich –, ist das ganz herrlich und ich finde den Stuhl fantastisch. Aber der Stuhl ist ein Stuhl. Wenn ich also ein Problem mit ihm habe, habe ich in Wahrheit ein Problem mit mir.
Wenn ich wütend bin auf so eine doofe Fernsehsendung, habe ich also auch ein Problem mit mir! Ich kann doch nicht auf Menschen wütend sein, die ich gar nicht kenne und die in keinem direkten Bezug zu mir stehen. Vielleicht bin ich sauer auf mich, weil ich weiß, dass ich mich zu wenig für das Gute engagiere?
Überhaupt muss man vorsichtig sein mit dem schnellen Meinungsbilden. Jeder hat heute sofort eine Meinung und auch die Medien lehren uns: »Bild dir sofort eine Meinung.« Meinungsbarometer, Umfragen. Was sagen die aus? Nichts, absolut nichts. Eine Meinung über einen Gegenstand kann doch nicht wichtiger sein als der Gegenstand selber.
Während ich bereits bei weit geöffnetem Fenster im Bett liege, frage ich mich, was Gott eigentlich für mich ist.
Viele meiner Freunde haben sich schon lange von der Kirche abgewendet. Sie wirkt auf sie unglaubwürdig, veraltet, vergilbt, festgefahren, unbeweglich, geradezu unmenschlich und somit haben die meisten sich auch von Gott abgewendet. Wenn sein Bodenpersonal so drauf ist, wie muss er selbst dann erst sein... wenn es ihn überhaupt gibt! Geh mir weg mit Gott, sagen leider die meisten. Ich sehe das anders.
Egal ob Gott eine Person, eine Wesenheit, ein Prinzip, eine Idee, ein Licht, ein Plan oder was auch immer ist, ich glaube, es gibt ihn!
Gott ist für mich so eine Art hervorragender Film wie »Gandhi«, mehrfach preisgekrönt und großartig!
Und die Amtskirche ist lediglich das Dorfkino, in dem das Meisterwerk gezeigt wird. Die Projektionsfläche für Gott. Die Leinwand hängt leider schief, ist verknittert, vergilbt und hat Löcher. Die Lautsprecher knistern, manchmal fallen sie ganz aus oder man muss sich irgendwelche nervigen Durchsagen während der Vorführung anhören, wie etwa: »Der Fahrer mit dem amtlichen Kennzeichen Remscheid SG 345 soll bitte seinen Wagen umsetzen.« Man sitzt auf unbequemen, quietschenden Holzsitzen und es wurde nicht mal sauber gemacht. Da sitzt einer vor einem und nimmt einem die Sicht, hier und da wird gequatscht und man bekommt ganze Handlungsstränge gar nicht mehr mit.
Kein Vergnügen wahrscheinlich, sich einen Kassenknüller wie »Gandhi« unter solchen Umständen ansehen zu müssen. Viele werden rausgehen und sagen: »Ein schlechter Film.« Wer aber genau hinsieht, erahnt, dass es sich doch um ein einzigartiges Meisterwerk handelt. Die Vorführung ist mies, doch ändert sie nichts an der Größe des Films. Leinwand und Lautsprecher geben nur das wieder, wozu sie in der Lage sind. Das ist menschlich.
Gott ist der Film und die Kirche ist das Kino, in dem der Film läuft. Ich hoffe, wir können uns den Film irgendwann in bester 3-D- und Stereo-Qualität unverfälscht und mal in voller Länge angucken! Und vielleicht spielen wir dann ja sogar mit!
Ich entscheide, dass ich mich im Moment ziemlich mutig finde, da ich das hier alles auf mich nehme und bisher nicht aufgegeben habe, ohne die Garantie, am Ende wirklich irgendetwas Gutes für mich getan zu haben.
Erkenntnis des Tages:
Meisterwerke gibt es an den erstaunlichsten Orten zu den erstaunlichsten Zeiten zu sehen.
30. Juni 2001 – León
Ich fühle mich wie gerädert. Heute Morgen um halb drei baut sich eine wild gewordene Horde spanischer Halbwüchsiger vor meinem Hotelfenster auf und
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