Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
Shopping! Hinter der Ecke lauert aber noch die Hauptüberraschung, denn im Schlepptau hat die Wienerin Schnabbel und Gerd. Und dann passiert es endlich. Die Österreicherin quatscht mich an und will sich sofort zu mir setzen. Dagegen habe ich rein gar nichts einzuwenden und rücke die Stühle flugs zurecht. Schnabbel will sich aber nicht setzen. Gerd hätte schon Lust, auch wenn er wieder nichts sagt. Wahrscheinlich ist Schnabbel immer noch knatschig wegen des Picknick-Korbes, den ich ihr heute Vormittag erteilt habe. Die Österreicherin traut sich jetzt auch nicht mehr, sich zu setzen, denn Schnabbel kann ziemlich böse gucken. Die Österreicherin ist trotzdem herrlich ungebrochen und fragt mich: »Wann macht denn die panadería auf?«
Übersetzt für Interessierte: Sie meint das Brotg’schäfterl.
Ich sage ihr, dass die Geschäfte in Spanien alle immer erst nach fünf wieder aufmachen. Nach der Siesta. Wenn man eins auswendig weiß nach drei Wochen Camino, dann sind es die Geschäftsöffnungszeiten. Immer erst nach siebzehn Uhr!
Die Österreicherin tut so, als wäre ihr das vollkommen neu und noch nie passiert.
Ihre Gedankensprünge haben etwas Chaotisch-Kreatives, denn sie will wissen, wie viele Sprachen ich eigentlich spreche und so zählt sie auf: »Französisch, Spanisch, Italienisch, Englisch habe ich dich ja schon sprechen hören. Was sprichst du denn noch?«
Ich bin kurz versucht, ihren Wiener Schmäh nachzuäffen, entscheide mich aber für eine neutral korrekte Antwort und gebe ihr ohne viel Angeberei die gewünschte Auskunft und füge noch »Holländisch« hinzu. Vor der Reise hätte ich das für Angeberei gehalten, aber es stimmt doch, warum soll ich es nicht sagen?
Die Österreicherin beobachtet mich scheinbar viel genauer als ich sie, aber mein Gespräch mit Larissa aus Gouda hat sie nicht mitbekommen. Ich merke, ich bin richtig aufgeregt, die drei jetzt endlich einmal richtig kennen zu lernen. Sie kommen mir vor wie die Figuren, die ich für Drehbücher und Sketche entwickle. Ich habe fast das Gefühl, die drei könnten meine Erfindung sein.
Die Österreicherin mit ihrem Tirolerhut und dem G’schäfterl-Spleen ist so komisch. Ich liebe es, wenn Leute in unpassenden Situationen immer wieder den gleichen doofen Satz sagen und das auch noch so wie sie, am liebsten mitten in der Pampa. Die verquasten Schnabbel und Gerd sind eigentlich wunderbar; sie kommen übrigens, wie sich im Gespräch herausstellt, aus Remscheid. Während ich die Tatsache genieße, dass die drei sich bereits bei mir festgequatscht haben, ohne sich setzen zu wollen, erhebt endlich Schnabbel ihre schwere, dunkle Stimme.
»Ich muss jetzt auch mal was erzählen.« Sie erzählt also nicht einfach, sondern sie kündigt es vorher an! Das tun sonst nur die Königin von England oder der Papst.
Gerd stützt den Kopf auf seinen Pilgerstab. Die Story scheint also länger zu werden und wir lauschen gespannt. Ich bin so neugierig, ich müsste rot werden vor Scham! Schnabbel hebt an: »Vor drei Jahren sind mein Mann und ich den Weg ja schon mal gelaufen, aber nicht zu Ende. Da haben wir zwei junge Priesteranwärter, junge kräftige Burschen, getroffen.«
In der Art und Weise, wie sie das sagt, schwingt Frivolität mit. »Und nach der Wanderung von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Roncesvalles sind wir abends in die Messe und da mussten sich die beiden, um den Segen am Altar zu bekommen, humpelnd aufeinander stützen. Ich war direkt dahinter und bin aufrechten Ganges und erhobenen Hauptes nach vorne gelaufen!« Sie lacht und ich bin sprachlos. Was für ein Triumph!, denke ich, den eigenen Sieg aus den Niederlagen der anderen zu ziehen! Wobei es auf den Blickwinkel ankommt. Ich weiß nicht, wer hier dabei gewonnen hat. Aber wie oft hab ich vielleicht ähnlich gedacht? Schnabbel führt mir in einer gewagten Kür de force wahrscheinlich meine schlimmsten Fehler vor! Ich muss der Frau wirklich dankbar sein.
Während Schnabbel selbstgefällig weiterredet und mir die Lust vergangen ist, ihr weiter zuzuhören, bekomme ich wieder mächtigen Hunger. Dabei habe ich seit meiner Ankunft schon einen fetten Hamburger und zwei Riesenbocadillos gefuttert... und jetzt weiß ich auch, warum sie sich nicht setzen will. Sie ist die Größte von uns allen und wenn sie sich setzt, kann sie auf niemanden mehr herabsehen.
Auf der anderen Straßenseite flaniert eine bildschöne Frau, von der selbst ich meinen Blick nicht lassen kann, vorbei. Sie bemerkt mich,
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