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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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Baby das ganze Hotel zusammen und ich habe Gelegenheit, noch einmal nachzudenken. Über den Weg. Er ist wundervoll. Manchmal auch hässlich und laut. Die Städte sind schön, beeindruckend, die Panoramen sind entspannend und einzigartig. Aber nichts nimmt mich so gefangen, dass es mich vom Weitergehen abhalten könnte. Santo Domingo war einen Aufenthalt wert. Der Weg ist so schön, dass man ihn gerne weitergeht, aber kein Ort ist so außerordentlich schön, keine Landschaft ist so besonders, dass man für immer dort bleiben möchte. Es ist eben ein echter Weg.
    Rom hat mich ein für allemal gefangen genommen und lässt mich nie wieder los. Mich von den kanadischen Rocky Mountains zu trennen hat mir fast körperliche Schmerzen verursacht. Den Gesang der Vögel Australiens werde ich bis an mein Lebensende vermissen. Ich war danach wie auf Entzug. Hier ist alles gerade so schön, dass es einem gut tut, doch trennt man sich auch gerne wieder davon. Die Rocky Mountains in Rom und dazu noch der Gesang der australischen Vögel würden mich wahrscheinlich umbringen.
    Hoffentlich treffe ich Schnabbel und Gerd nicht mehr. Das nächste Mal werde ich vermutlich einen handfesten Streit mit ihnen beginnen.
    Heute fühle ich mich wirklich rundum geliebt.
    Courage! Wofür brauche ich Mut? Wenn ich das W in Wut einfach umdrehe wird ein M daraus und Wut wird zu Mut. Kann ich Wut in Mut verwandeln?
    Erkenntnis des Tages:
    Ein echter Weg nimmt einen Menschen nicht gefangen.

2. Juli 2001 – Irgendwo im Nirgendwo hinter León
     
    Nach der Farewell-Party für Evi komme ich ganz schlecht aus den Federn. Um elf Uhr dreißig verlasse ich erst das Hotel und mache mich auf den kilometerlangen, sehr gut ausgeschilderten Camino quer durch León. Kurz bevor ich die Innenstadt hinter mir lasse, gelüstet es mich noch einmal nach einem leckeren Kaffee und einer Zigarette und so lasse ich mich außerplanmäßig in einem schattigen Gässchen vor einem kleinen Hotel in einen knallroten Plastikstuhl plumpsen. Dort sitze ich keine fünf Minuten, da kommt Evi aus dem Hotel! Ich sitze direkt vor ihrem Hotel. Wäre ich auch nur eine Gasse weitergelaufen, hätten wir uns nicht wiedergetroffen. Weitere fünf Minuten später kommt – so muss es sein – Jose dazu. Wir lassen den vergangenen Abend noch einmal Revue passieren und können nun nachholen, was wir so vermisst hatten: Fotos zu machen. Keiner von uns hatte gestern seinen Fotoapparat dabei. Wir knipsen uns gegenseitig, miteinander und alleine. Als wollten wir uns beweisen, dass wir wirklich existieren. Irgendwie scheinen wir nicht zu glauben, dass es uns gibt.
    Evi ist wahnsinnig neugierig und fragt mich höflich, ob ich nicht Lust hätte, ihnen etwas aus meinem Tagebuch vorzulesen. Der Vortrag als solcher schreckt mich nicht, denn das ist mein Metier, aber der Inhalt ist diesmal selbst für mich gewöhnungsbedürftig. Trotzdem zücke ich tapfer meine zerknitterte orangefarbene Kladde und übersetze die Passage mit »Schnabbel als meinem Schatten« ins Englische. Beide hören amüsiert zu und kommentieren das Vorgetragene hinterher mit keiner Silbe, aber Evi wird ganz ernst: »Dir werden noch die verrücktesten Dinge auf dem Weg passieren. Trau dich und vertrau dir! Aber hör auf deine innere Stimme. Nicht alles wird gut oder richtig sein. Du bist jetzt bereit für allerlei schräge Erlebnisse.«
    Ich beichte ihnen, dass ich vermute, es kommt noch zu einer Konfrontation mit Schnabbel, denn die wolle ich um keinen Preis wiedersehen, aber ausgerechnet mit ihr scheine ich noch ’ne üble karmische Rechnung offen zu haben! Jose hat Schnabbel und Gerd auch kennen gelernt und ist seitdem vor ihnen auf der Flucht, denn sie hält sie für eingeschleuste Pilgerspione von der dunklen Seite des Weges. Diese Vorstellung finden Evi und ich einfach knallkomisch.
    Bei einer weiteren Tasse Kaffee drängen Evi und Jose mich förmlich dazu, meine Erlebnisse weiterhin akribisch aufzuschreiben. Um weiter schreiben zu können, muss ich die beiden allerdings wohl oder übel endgültig verlassen. Schweren Herzens trenne ich mich nach zweieinhalb Stunden und mache mich auf den Weg, der aus León hinausführt.
    Der Camino zeigt sich auf dieser Etappe von seiner gnadenlosen Seite: Er ist einfach nur schrecklich, denn er führt an Industriegebieten vorbei quer über endlose öde Flächen. Natürlich ist es wieder heiß und außerdem springt mir alle zehn Minuten ein bedrohlicher Tiger von zerfledderten Werbeplakaten

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