Ich bin dein, du bist mein
Thermoskanne, die auf dem Tisch stand.
Judith setzte sich zu ihm. »Gerne«, sagte sie. Er nahm ihr die Tasse aus der Hand, die sie ihm entgegenhielt, und füllte sie. »Wo ist Mama?«
»Sie geht mit Zerberus gerade ums Eck.« Ein peinlicher Moment des Schweigens entstand. Sie waren noch nie miteinander alleine gewesen. Sonst war es immer ihre Mutter gewesen, die das Gespräch ankurbelte. »Du hast doch heute deinen ersten Schultag, oder?«
»Stimmt«, erwiderte Judith und nahm sich ein Brötchen. »Luxus! Sonst gibt es bei uns morgens nur Müsli und alten Toast!«
»Ich bin schon länger auf«, sagte Robert. »War laufen. Das kann man momentan nur morgens um sechs machen, wenn man nicht nach hundert Metern von einem Hitzschlag niedergestreckt werden will.« Er zuckte mit den Schultern und lächelte. »Und auf dem Rückweg war ich beim Bäcker.«
Judith bestrich die beiden Hälften mit Butter und Honig. Eigentlich hatte sie noch keinen Hunger, aber sie musste vorsorgen: Ihr Körper rebellierte immer, wenn er nicht rechtzeitig Treibstoff bekam.
Wieder schien Robert entschlossen, kein Schweigen zuzulassen. »Es muss ziemlich merkwürdig für dich sein, allein mit einem Typ zu frühstücken, den du gar nicht richtig kennst und der auch noch der Freund deiner Mutter ist.«
»Aber ich glaube, ich bin nicht die Einzige am Tisch, der ein bisschen mulmig ist.«
»Stimmt«, sagte Robert. »Das schafft Waffengleichheit. Und ich muss ehrlich zugeben, dass ich in Sachen Smalltalk eine echte Niete bin.«
»Geht mir genauso.« Sie betrachtete ihn genauer. Er war nett, stellte sie überrascht fest! Richtig nett! »Verrätst du mir, wie ihr euch kennengelernt habt?«
Robert verzog das Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen.
»Natürlich nur, wenn’s dir nicht unangenehm ist!«, beeilte sie sich zu sagen. »Kein Problem, wirklich.«
» Ich habe damit kein Problem. Aber deine Mutter vielleicht«, erwiderte er vorsichtig. »Wenn sie es dir nicht verraten hat, wird sie ihre Gründe haben.«
»Ich habe sie nicht gefragt. Das dürfte der einzige Grund sein«, gab Judith zu.
Robert zögerte. »Über eine Partnerbörse«, sagte er schließlich.
Judith ließ langsam das Messer sinken.
»Überrascht?«, fragte Robert.
Sie zögerte einen Moment, bevor sie nickte.
»Weil sie diesen Weg gewählt hat?«
»Nein«, sagte Judith. »Ich wusste nur nicht, dass sie sich so allein gefühlt hat.« Sie zögerte einen weiteren Moment. »Hat sie dich angeschrieben?«
»Ja«, sagte Robert und schenkte sich Kaffee nach.
»Und du hast geantwortet.«
Robert lachte. »Natürlich! Sonst säße ich nicht hier!«
Judith bestrich in Zeitlupe ihr Brötchen mit Butter. »Das ist alles irgendwie so … unromantisch …«
Robert zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Aber bei deiner Mutter und mir funktioniert es.«
Sie räusperte sich, denn sie hatte Angst, die Frage zu stellen, die sie in diesem Moment bewegte und die so intim war. Aber sie konnte nicht anders. »Liebt ihr euch?«
Robert sah Judith überrascht an. »Ja, ich glaub schon.«
Judith ließ sich nicht beirren. »Aber es war keine Liebe auf den ersten Blick, oder?«
»Also, ich würde nicht sagen, dass deine Mutter und mich der Blitz getroffen hat. Aber als wir uns das erste Mal verabredet haben, hatten wir einen netten Abend. Die Chemie stimmte. Und wir hatten denselben Humor. Das Schöne war: Wir wussten beide, was wir suchten. Da gab es kein Versteckspiel, die Karten lagen auf dem Tisch.« Er zuckte mit den Schultern und lächelte breit. »So ging das.«
So ging das. »Darf ich noch eine indiskrete Frage stellen?«, sagte sie zögernd.
»Nur zu«, sagte Robert.
»Warst du schon mal verheiratet?«, fragte Judith.
»Ich bin geschieden, wenn du das wissen willst«, sagte Robert. »Aber ich habe keine Kinder.«
Judith errötete. »Entschuldigung, ich wollte nicht unhöflich sein. Eigentlich geht mich das alles auch gar nichts an.«
»Doch. Tut es«, sagte er. »Immerhin ist dies euer Haus. Ich bin mit deiner Mutter zusammen. Für dich bin ich ein Eindringling.« Judith wollte etwas sagen, aber Robert hob nur die Hand. »Deshalb darfst du mir ruhig solche Fragen stellen. Ich weiß nicht, wie du mich siehst – oder sehen wirst, wenn wir uns besser kennengelernt haben. Aber ich wünsche mir, dass wir gute Freunde werden. Ich werd nicht die Vaternummer durchziehen oder den Erziehungsberechtigten spielen. Das musst du alles mit deiner Mutter ausmachen, da halte ich mich
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