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Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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einer Kreisverwaltung hatte, war es nicht viel besser. Überall stand die Luft. Selbst die sonst so zappeligen Unterstufenschüler standen wie betäubt herum und sprachen kaum ein Wort miteinander. Für sie würde es sicher irgendwann hitzefrei geben. Aber nicht für Judiths Abschlussjahrgang.
    Vor dem Schwarzen Brett mit den Listen standen so viele Schüler, dass sich Judith erst einmal abseits hielt. Kim blickte währenddessen wie magnetisiert in eine einzige Richtung.
    »Was ist los?«, fragte Judith und versuchte dem Blick ihrer Freundin zu folgen. »Stimmt irgendwas nicht?«
    Doch die Frage erübrigte sich in dem Moment, als sie Jan beim Treppenaufgang an der Wand lehnen sah. Zoey war bei ihm. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke.
    Zoey verzog herablassend den Mund und hob die sorgsam gezupften Augenbrauen, dann stellte sie sich so vor Jan, dass sie Judith die Sicht versperrte.
    Kim gab ein unterdrücktes Stöhnen von sich. Judith kochte. Der Rucksack rutschte ihr von der Schulter undfiel zu Boden. Dann war sie mit einem Mal ganz ruhig. Die Geräusche um sie herum verstummten. Ihr Gesicht fühlte sich kalt und taub an. Unwillkürlich ballte sie die Fäuste. Noch nie im Leben hatte sie jemandem wehtun wollen, Impulskontrolle hin oder her. Aber die Unverfrorenheit ihrer Rivalin ließ sie für einen Moment alle guten Vorsätze vergessen.
    Da spürte sie eine Hand auf ihrem Arm. »Sie will dich doch nur provozieren«, sagte Kim. »Sie will, dass du ihr vor allen Leuten eine Szene machst. Tu ihr bloß nicht den Gefallen.«
    Manchmal hat die Stimme der Vernunft einen vertrauten Klang, stellte Judith fest. Manchmal klingt sie wie Kim.
    Zoey drehte ihr demonstrativ den Rücken zu und küsste Jan.
    Kim bückte sich nach dem Rucksack und drückte ihn Judith an die Brust. Der Gong ertönte ein zweites Mal.
    »Heute wird es noch genug Gelegenheiten geben, um mit Jan zu sprechen«, flüsterte Kim.
    Endlich schüttelte Judith ihre Benommenheit ab. »Ich will aber gar nicht mit ihm reden«, sagte sie und atmete tief durch. »Über diesen Punkt bin ich hinaus.« Sie presste die Lippen zusammen und zwang sich zu einem Lächeln.
    »Wirklich?« Kim sah sie zweifelnd an. »Ganz ehrlich,im Moment siehst du aus, als wolltest du gleich einen Mord begehen.«
    Judith schwieg und vertiefte sich in die Kursliste.
    »Lass ihn ziehen«, flüsterte Kim, die noch immer ihre Hand auf Judiths Arm gelegt hatte. »Der verdient dich doch gar nicht.«
    Judith schloss die Augen und drehte sich langsam zu Kim um. »Du bist meine beste Freundin. Wirklich. Aber es gibt Momente, da weißt du nicht, dass es besser ist, einfach mal die Klappe zu halten.«
    Kim öffnete den Mund und schnappte nach Luft wie ein gestrandeter Koi. Doch noch bevor sie etwas sagen konnte, nahm Judith sie in den Arm.
    »Entschuldige. Ich hab es nicht so gemeint. Aber mit Jan und Zoey muss ich alleine fertig werden.« Die Fotos kamen ihr wieder in den Sinn. Jan war nicht grade der Entschlussfreudigste. Vielleicht hatte ja Zoey den Umschlag an Judith geschickt, um der Sache etwas nachzuhelfen? Und jetzt hatte sie erreicht, was sie wollte: Jan war frei für sie. Aber war er wirklich glücklich? Judiths Blick suchte ihn. Doch er war bereits mit Zoey verschwunden.

    Sie trafen sich nicht.
    Weder in den Pausen, noch im Gedränge auf den Korridoren zwischen den Stunden, wenn sie die Räume wechseln mussten. Judith mied die Orte, an denen sich die Clique um Niels traf: die Ecke bei der Schülervertretung, die Bank am Schulgarten, der Parkplatz außerhalb des Schulgeländes, wo sich alle manchmal auf eine schnelle Zigarette zusammenfanden und den neuesten Tratsch austauschten. Wie zum Beispiel die Sache zwischen ihr und Jan.
    Kim war die Einzige gewesen, die sie gestern Abend im Schwimmbad gewarnt hatte. Alle anderen waren wie die Hasen vor dem Hund davongelaufen und hatten sie im Stich gelassen.
    Kim hatte an diesem Tag eine Stunde länger Unterricht und Judith wollte nicht auf sie warten. Also lief sie, den Helm unter dem Arm, zur Bushaltstelle zwei Stationen weiter und setzte sich in den Schatten eines Wartehäuschens. Hier war die Gefahr gering, dass sie jemanden traf, den sie kannte. Hier konnte sie in Ruhe sitzen, bis der Schmerz der Demütigung irgendwann nachließ.
    Der Bus kam und sie stieg ein.

    »Mama?«, rief sie, als sie ihren Schlüsselbund auf die Kommode legte. »Bist du da?«
    Keine Antwort. Noch nicht einmal Zerberus kam schwanzwedelnd auf sie zugerannt.

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