Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
Vom Netzwerk:
und wandte das Gesicht ab.
    »Scht, alles wird gut«, sagte ihre Mutter und strich sanft eine rote Locke aus Judiths Stirn. »Du bist in Sicherheit.«
    »Wie lange bin ich schon hier?«
    »Seit gestern Nachmittag. Die Ärzte haben dir für die Nacht ein Beruhigungsmittel gegeben.«
    »Davon weiß ich gar nichts mehr.« Tausend Erinnerungsbilder schossen Judith durch den Kopf, doch sie konnte sie einfach nicht in einen sinnvollen Zusammenhang bringen, sosehr sie sich auch mühte. Dann fiel ihr die Mail wieder ein. Die Mail mit dem Foto von Zerberus.
    »Hat er sich noch einmal gemeldet?«
    »Wer, Gabriel?«, fragte ihre Mutter. »Nein.«
    Judith wusste sofort, dass das gelogen war. »Ich will nicht mehr nach Hause«, sagte sie. »Ich will weg. Irgendwohin. Aber nicht mehr nach Hause.«
    »Ich versteh dich nur zu gut. Aber es gibt keine Alternative. Willst du dich von diesem Psychopathen aus deinem Heim vertreiben lassen?«
    »Du hast ja Recht«, erwiderte Judith matt. »Gibst du mir bitte noch was zu trinken?«
    »Natürlich.« Marion reichte ihr das Glas. »Ich stell dirFlasche so hin, dass du drankommst. Möchtest du auch was essen?«
    »Nein. Ich würde gerne noch ein bisschen schlafen.«
    »Tu das. Ich bleibe bei dir.«
    »Das ist gut«, murmelte Judith. »Das ist gut …« Und schon war sie wieder weggedämmert.
    Sie träumte: Gras kitzelte ihre Füße. Ein sanfter Wind streichelte ihr Gesicht. Hundewelpen tollten auf dem Rasen herum.
    Judith? Judith, wach auf. Sieh mich an.
    Mühsam öffnete sie die Augen.
    Auf dem Stuhl neben ihrem Bett saß jetzt nicht mehr ihre Mutter, sondern ein Mann, ganz in Weiß gekleidet. Das Haar war kurz geschoren, er trug eine schwarze Brille.
    »Gabriel.«
    »Wen hast du sonst erwartet?« Er lächelte sie an.
    Seltsamerweise hatte Judith überhaupt keine Angst. »Was machst du hier?« Ihr war heiter zumute, fast fröhlich, so als hätte sie jemand in Watte gepackt.
    »Ich bin da, wo mein Platz ist: an deiner Seite.«
    Judith runzelte die Stirn. »Geh weg.« Nur mit Mühe formte ihr Mund diese zwei kleinen Worte.
    Gabriel strich ihr zärtlich übers Haar. »Genieße es einfach. Es ist so schön mit dir. Ich will mein ganzes Leben mit dir verbringen.«
    »Geh weg«, wiederholte sie. Ihr Gesicht fühlte sich taub an.
    »Warum, meine schöne Königin?« Gabriels Stimme klang sanft und melodiös. Stundenlang hätte sie ihm zuhören können.
    »Ich habe Angst. Ich habe Angst vor dir.«
    Er lächelte nachsichtig. »Aber dafür gibt es doch überhaupt keinen Grund. Ich liebe dich. Das darfst du nie vergessen.«
    »Geh weg …«
    »Liebst du mich auch?«
    Judith öffnete den Mund zu einem Schrei, doch ihre Kraft reichte nur für ein leises Stöhnen.
    »Schon gut«, sagte Gabriel und lächelte.
    »Warum hast du Zerberus umgebracht? Er hat dir doch nichts getan«, flüsterte sie.
    »Ich musste dir beweisen, wie wichtig du mir bist. Deswegen musste ich dir etwas nehmen, was du liebst.« Er beugte sich über sie. »Hast du schon einmal geliebt? Von ganzem Herzen? So sehr, dass es wehtut?«
    Judith konnte sich nicht rühren. Wieder sank sie zurück in dieses watteweiche, schmeichelnde Nichts. »Ich glaube, nein.«
    »Ich kann dir den Weg zur wahren Liebe zeigen. Du musst mir nur vertrauen.«
    »Geh weg …« Jetzt war ihre Stimme nur noch ein Wispern.
    Gabriel drückte ihre Hand. »Nein«, sagte er und schüttelte nachsichtig den Kopf. »Ich werde von jetzt an immer bei dir sein. Auch wenn du eine Weile nichts von mir hören wirst. Hab Geduld, ich werde alles vorbereiten. Und wenn es so weit ist, kann uns nichts mehr trennen. Ich weiß, dass du mich brauchst. So wie ich dich brauche.« Einen schrecklichen Moment lang schien es, als wollte er sie auf den Mund küssen, doch dann berührten seine Lippen nur leicht ihre Stirn. Judiths Lider wurden bleischwer und im nächsten Augenblick war sie wieder eingeschlafen.
    Nach etwa zwei Stunden erwachte sie und dachte: Was für ein seltsamer Traum!

    Manchmal, denkt der Junge, der nun fast ein Mann ist, manchmal kann der Tod des einen das Leben des anderen sein. Besonders wenn das Leben kein Leben mehr ist, weil man nichts als die Faust zu spüren bekommt. Der Vater geht früh aus dem Haus und kommt erst spät zurück. Der Junge serviert ihm sofort das Abendessen. Das Fleisch darf nie ganz durch sein, sondern innen noch rot. Wenn derVater nach Alkohol riecht, ist alles gut. Dann bleibt er friedlich und geht bald zu Bett. An schlechten Tagen aber spuckt

Weitere Kostenlose Bücher