Ich bin dein, du bist mein
noch abseits und blickten zu ihr herüber. Aber die waren nicht der Grund für ihr Unbehagen.
Bogdan trat neben sie. »Wir werden beobachtet«, sagte er.
Judith drehte sich in die andere Richtung. »Von wem?«, flüsterte sie.
»Keine Ahnung«, sagte Bogdan. »Ich schau mich mal um«, flüsterte er, trat beiseite und verschwand.
Judith ging zu ihrer Mutter und ihren Freunden.
»Ist er hier?«, fragte Niels. »Dieser Gabriel?«
»Ich kann es dir nicht sagen«, antwortete Judith. Ihr Herz schlug bis zum Hals.
»Leute, ihr macht mir Angst«, sagte Marion mit leiser Stimme. »Lasst uns gehen.«
Judith blickte zu Bogdan hinüber, der bei einer Baumgruppe stand, die zum alten Teil des Friedhofs gehörte, und gab ihm ein Zeichen, dass sie sich am Tor treffen würden. Er hob die Hand und spreizte die Finger. Fünf Minuten, dann würde er nachkommen.
Sie hatten das Tor fast erreicht, als Judith Dokupil erkannte. Er zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, trat sie aus und kam auf sie zu.
»Es ist genauso, wie wir befürchtet haben«, sagte er. »Die Nummer, von der aus die Kurznachrichten verschickt wurden, hat sich als Sackgasse erwiesen. Die Karte gehörte zu einem Handy, das irgendwann einmal verloren gegangen oder gestohlen worden ist.«
»Und die Mails?«, fragte Judith.
»Gabriel ist sehr geschickt vorgegangen«, sagte Dokupil und wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. »Er hat einen ausländischen Free-Mailer benutzt und ein kleines Programm zwischengeschaltet, das die IP -Adresse verschleiert. Mal scheint er seine Mails aus den USA , mal aus Argentinien und dann sogar aus Madagaskar verschickt zu haben. Wir haben nur das Phantombild nach deinen Angaben.«
»Nicht sehr ermutigend«, sagte Judiths Mutter bitter.
»Das ist wahr«, gab Dokupil zu.
»Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Falsche im Gefängnis sitzt?«, wollte sie wissen.
Dokupil blinzelte irritiert, so als hätte er mit dieser Frage gar nicht gerechnet. »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
Judith blickte überrascht auf. »Können oder dürfen?«
»Dürfen«, sagte Dokupil erneut. »Unsere Ermittlungen sind keine öffentliche Angelegenheit.«
»Was Sie nicht sagen«, erwiderte Marion trocken.»Korrigieren Sie mich, wenn ich falschliegen sollte, aber wenn dieser Psychopath tatsächlich Zoey auf dem Gewissen hat, dann ist auch meine Tochter in Gefahr.«
Dokupil schwieg.
Marion Schramm schnaubte verächtlich und sah den Polizisten an, als hätte sie nichts anderes von ihm erwartet. Er nahm den unausgesprochenen Vorwurf gleichmütig und ohne eine Erwiderung hin.
»Da war wirklich jemand«, rief Bogdan. Er hatte inzwischen sein Jackett ausgezogen und über die Schulter geworfen. »Und er hat etwas dagelassen.« Er hielt eine leere Wilhelma-Packung in die Höhe. »Das Papier lag nicht auf dem Boden, sondern war auf einen kleinen Ast gespießt.« Erst jetzt stutzte er. »Wer ist denn der Kerl?« Er zeigte auf Dokupil.
»Das ist Herr Dokupil«, sagte Judith nur. »Er ist von der Polizei.«
»Aha«, machte Bogdan nur. Sein Blick blieb skeptisch, so als ob er eine eigene, sehr spezielle Haltung der Polizei gegenüber hätte. Wieder einmal fiel Judith auf, wie wenig sie über sein Leben wusste.
»Ich würde gerne Jan besuchen«, sagte sie zu Dokupil. »Was muss ich dafür tun?«
»Bei der zuständigen Dienstelle einen Besuchsantrag einreichen«, sagte Dokupil.
»Und wo bekomme ich den?«
Dokupil seufzte. »Bei mir.« Er zog einen Umschlag aus der Innenseite seines Jacketts. »Ich hab mir schon gedacht, dass Sie danach fragen würden. Deswegen habe ich mir erlaubt, den Antrag für Sie auszufüllen. Sie sehen, wir sind keine Unmenschen. Auch wenn wir bei der Polizei arbeiten.«
Judith glaubte allerdings nicht an vollkommene Selbstlosigkeit. Sicher hoffte Dokupil, aus Jans Gespräch mit Judith neue Erkenntnisse zu gewinnen. Vielleicht glaubte er sogar, Jan würde sich selbst belasten. Einerlei, sie musste zu ihm. Musste wissen, wie es ihm ging.
Judith hatte es nicht weit zur JVA 1 in der Oberen Kreuzäckerstraße. Eine Festung aus Beton, die am Rand von Preungesheim lag. Der unscheinbare, kleine Eingang lag an der Ecke zur Jaspertstraße.
Der Pförtner hatte sie schon auf seiner Liste, denn sie hatte telefonisch einen Besuchstermin ausgemacht. Jetzt legte sie die Genehmigung vor und wartete darauf, dass sie abgeholt wurde.
Ein Vollzugsbeamter führte sie durch mehrere schwer gesicherte Türen zu einem Besuchsraum,
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