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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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füllte die Felsenkammer.
    Jörg Albrecht warf sich auf die Frau.
    Ich sah, wie ihr die Waffe aus der Hand fiel, war mir aber nicht sicher, ob er es mitbekam.
    Sah, wie er stolperte, einen ungeschickten Schritt machte, mit dem Kopf gegen die Brüstung knallte und leblos zusammensackte, während Werden sich mit Mühe fing, selbst halb auf die Brücke taumelte. Sah, wie Freiligrath die Augen aufriss, einen Schritt nach vorn machte …
    Er war nicht der Einzige.
    Horst Wolfram hatte wie tot an der Brüstung gekauert.
    Wir alle hatten ihn für tot oder so gut wie tot gehalten, der Traumfänger und sein Geschöpf eingeschlossen, da bin ich mir sicher.
    Doch er war nicht tot.
    Ich sah ihn, sah die Pistole in seiner Hand, sah …
    Ich schrie.
    Doch der Schuss hatte sich schon gelöst, traf Maja Werden von unten in die Kehle. Martin Euler sollte später feststellen, dass die Kugel den Austritt nicht ganz geschafft hatte, sondern in der Schädeldecke stecken geblieben war. Eine Verletzung, die nicht
auf der Stelle
, aber doch innerhalb weniger Sekunden tödlich gewesen sein muss.
    Sekunden.
    Ich habe viel darüber nachgedacht.
    Manchmal können Sekunden entscheidend sein.
    In diesem Fall dürften sie exakt ausgereicht haben, dass Maja Werden, als sie einen unfreiwilligen Schritt machte, in die Tiefe stürzte, in die Hölle brüllenden Wassers …
    Dass das, was vierundzwanzig Jahre lang wie die Wahrheit ausgesehen hatte, am Ende doch noch Wahrheit geworden ist.
    Dass Lena Wolfram am Ende doch noch ertrunken ist.

[zur Inhaltsübersicht]
einige Wochen später
    D ie Mannschaft war vollzählig im Besprechungsraum versammelt – alle, die noch am Leben waren, mit Ausnahme von Hinnerk Hansen, der erst mit Beginn des neuen Jahres wieder den Dienst aufnehmen würde.
    Jörg Albrecht saß auf einem Stuhl unter dem Whiteboard.
    Er ärgerte sich, dass er dieses Meeting noch nicht in aufrechter Position würde durchstehen können, doch die Ärzte hatten gebetsmühlenartig an seine Geduld appelliert: Die Heilung eines Schädel-Hirn-Traumas gehorche ihrem eigenen Rhythmus. Wenn er schon nicht bereit sei, sich eine längere Auszeit zu gönnen, werde er eben noch eine Weile mit anfallsweise wiederkehrenden Schwindelattacken leben müssen.
    Was blieb ihm anderes übrig?
    Für eine
Auszeit
würde er mehr als genug Muße haben, wenn Isolde Lorentz mit ihm fertig war. Ihm war klar, dass die Tage auf seinem Posten gezählt waren. Womöglich seine Tage im Polizeidienst überhaupt.
    Für heute musste es so gehen. Wozu hatte der Herrgott den Laserpointer erschaffen?
    Albrecht sah in die Runde. «Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind», eröffnete er das Treffen.
    Im selben Moment klopfte es an der Tür. Der Hauptkommissar öffnete den Mund, doch sie wurde bereits aufgeschoben.
    Irmtraud Wegner.
    Sie war nicht allein.
    Die Polizeipräsidentin trug ein Kostüm aus dunklem Stoff, das ihren Formen schmeichelte. Sie nickte Albrecht – und den Übrigen – lediglich knapp zu, bevor sie sich auf einen Platz in der hintersten Reihe sinken ließ, Wegner an ihrer Seite.
    Ein neues Nicken. Diesmal galt es dem Hauptkommissar allein: Bitte weitermachen.
    Albrechts Lippen wurden zu einem blutleeren Strich.
    Warum war die Frau hier? Um das Urteil im Angesicht seiner versammelten Mannschaft zu verkünden?
    «Gut», murmelte der Hauptkommissar. «Dann danke ich nochmal … allen.» Sein Blick schloss die beiden Frauen ein. Doch, zumindest dass die Sekretärin dabei war, war nur richtig, wenn er sich ausmalte, was sie in ihrer Gefangenschaft auf dem Neverding-Gelände durchgestanden hatte.
    Gedanken, die er sich im Übrigen verbot.
    «Ich möchte unsere Ermittlung, die mit dem Tod Ole Hartungs begonnen hat, heute abschließen», erklärte er. «Im Anschluss an diese Besprechung werde ich die Unterlagen der Staatsanwaltschaft zuleiten, und was dann geschieht, liegt nicht mehr in unserer Hand.
    Sie alle wissen, auf welche Weise dieser Fall letztendlich geklärt wurde: Durch ein Geständnis, das die Täterin vor ihrem Tod abgelegt hat – in meiner und Horst Wolframs Gegenwart. Selbstredend handelte es sich um keine formelle Aussage, doch nach Auswertung der Spuren und Indizien steht fest, dass sie die Wahrheit gesagt hat.
    Sämtliche Morde – angefangen mit Focco Neverding bis zum Tod des Professors und der Z…» Eben noch rechtzeitig fing er einen Blick der Polizeipräsidentin ein. «Sämtliche Toten gehen auf ihr Konto», formulierte er stattdessen.

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