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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Erdachse zum Stillstand. Doch dann: Das Verbrechen in Braunschweig musste zuerst geschehen sein, erst danach, gegen Morgen, der Mord an der Zecke.
    Kurz bevor Joachim Merz mit Blume, Brötchentüte und Schlamm an den Füßen nach Hause gekommen war.
    Konnte er sich, kaum dass ich ins Land der Träume abgetaucht war, auf den Weg nach Braunschweig gemacht haben? Konnte er dort einen Mord eingefädelt haben und dann stante pede zurück nach Hamburg, um an der Alsterquelle Margit Stahmke ins Jenseits zu befördern und anschließend am Frühstückstisch mit mir die Natur unserer Beziehung zu erörtern?
    Sein Jaguar war ein Traum. Theoretisch war das Szenario sogar denkbar. Zeitlich zumindest.
    Doch in jeder anderen Hinsicht?
    «Hannah?»
    Besorgt sah die Sekretärin mich an.
    «Tut mir leid», murmelte ich. «War alles etwas …» Ich schüttelte den Kopf. «Es geht schon. Ich bin in Ordnung.»
    Irmtraud zögerte. Ich konnte erkennen, wie ihre Gefühle miteinander kämpften. Schließlich war sie so was wie die Mutter der Kompanie. Wenn sie mich jetzt nicht nach Hause schickte –
Sie gehören ins Bett! Und trinken Sie ein Glas heiße Milch mit Honig!
 –, dann musste ihr die Sache wirklich verdammt wichtig sein.
    «Wenn es Ihnen gut genug geht …», sagte sie schließlich. «Ich denke, es ist besser, wenn Sie mit dabei sind. Kerstin war Ihre Freundin.»
    «Kerstin Ebert?» Jörg Albrecht beugte sich vor. Seine Augen waren schmal geworden. Er sah auf seine Schreibtischuhr. «Sie haben zehn Minuten, Irmtraud!»
    Mit einem Nicken wies er auf den zweiten Besucherstuhl.
    Die Sekretärin ließ sich auf dem Stahlrohrgestell nieder.
    «Kerstin Ebert», sagte sie. «Und Ole Hartung. Ole Hartung war der Einzige, der mich noch an die Zeit erinnert hat, als ich hier angefangen habe. Er war der Einzige, der damals schon da war, ausgenommen Hinnerk Hansen. Der wird übrigens nächste Woche aus dem Krankenhaus entlassen», fügte sie beiläufig hinzu.
    Ich konnte beobachten, wie Albrecht die Kiefer noch eine Spur fester zusammenbiss. Der unausgesprochene Zusatz –
falls Sie das interessiert
 – war ziemlich deutlich gewesen.
    «Ole Hartung war schon da, als ich hier anfing», erklärte sie. «Dann kam Kerstin Ebert. Und dann kamen Sie, Hauptkommissar. Und danach alle anderen. Können Sie sich erinnern, unter welchen Umständen Sie die Leitung des Kommissariats übernommen haben?»
    «Irmtraud, wenn Sie …»
    Er war verärgert. Das hätte ihm jeder angesehen. Doch mit einem Mal brach er ab. Auf seinem Gesicht breitete sich etwas aus, das ich nicht zu fassen bekam: eine Ahnung, oder war es schon mehr als das?
    Heute, im Nachhinein, glaube ich, dass er es in exakt diesem Moment begriffen hat. In diesem Moment muss sich das Bild in seinem Kopf zusammengesetzt haben. Nicht nach und nach, als ob ein eingerostetes Räderwerk in Schwung kommt, sondern blitzartig und präzise, wie sein Verstand eben arbeitete.
    Wenn er sich nicht gerade selbst im Weg stand, wie das in den letzten zwei Tagen geschehen war.
    Was mich anbetrifft: Ich war nicht so flott.
    Aber schließlich hatte ich noch einmal eine ganze Weile
nach
Jörg Albrecht auf dem Revier angefangen.
    Ich starrte die Sekretärin an wie ein Mondkalb.
    Irmtraud Wegner sah zwischen uns beiden hin und her.
    «Horst Wolfram», sagte sie. «Max Freiligrath. Was wissen Sie über den Traumfänger?»

[zur Inhaltsübersicht]
sieben
    J ede Gemeinschaft hat ihre eigene Geschichte, ihre Mythologie.
    Bei Jörg Albrechts alten Griechen waren das die Götter des Olymp, mit dem Donnergott Zeus und Pallas Athene, mit Hermes, Herkules, Odysseus. Bei der Belegschaft eines Automobilwerks ist es vielleicht die Story vom Gründer der Firma, der mit seiner pferdelosen Kutsche über ungepflasterte Buckelpisten geholpert ist und von den Leuten ausgelacht wurde. Bei einem Kegelverein die Erinnerung, wie man auf der ersten gemeinsamen Fahrt stockbesoffen auf einer Almhütte eingeschneit war.
    Solche Geschichten.
    Was sie gemeinsam haben, ist, dass es sich um Gründungslegenden handelt. Im weitesten Sinne jedenfalls. Sie stehen ganz am Anfang, haben sich in grauer Vorzeit zugetragen, wobei diese graue Vorzeit natürlich sehr unterschiedlich lange her sein kann. Sie bilden den Hintergrund. Wer zum Team gehört, kennt sie, und trotzdem denkt man im Höchstfall vielleicht ein oder zwei Mal im Jahr daran, wie das Ganze irgendwann mal losgegangen ist.
    Ich hätte die Geschichte vom Traumfänger also ganz an den

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