Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern
dieses Spiel seit sie laufen kann mit unverminderter Leidenschaft. »Wie machst du das eigentlich später mit den Pferden«, frage ich, »verheddert sich so ein sieben-Zentimeter-Absatz nicht im Steigbügel?«
»Dann ziehe ich die doch nicht an«, sagt meine Tochter. »Die ziehe ich an, wenn ich abends mit meinem Mann ins Konzert gehe.« »Was hören Reiterhofcheffinnen denn so, Justin Bieber?« »Auf keinen Fall«, sagt Jette. »Ich gehe zu Papageno. Und habe leuchtenden Schmuck, mit Granaten.« »Und wer bezahlt den?« »Ich, wenn ich einen Hengst verkauft habe.«
Ich fasse zusammen: Da wäre die Lehrerin mit Kinderschar, adeligen Ambitionen und einem Hang zu älteren Männern. Und eine Reiterhofchefin mit Zuchterfolgen, hohen Hacken und einer Vorliebe für Blingbling.
Frau Mika, was sagen sie dazu? Muss ich mir Sorgen machen? Handelt es sich bereits um eine manifeste
Rollenverwirrung? Ist das der Eingang zur kaffeegetränkten Komfortzone. Oder der Beginn einer Abhängigkeit vom Klumschen Schönheits-Diktat?
Oder befinde ich mich vielleicht am Anfang einer ganz neuen, wunderbaren weiblichen Zukunft, in der es meinen Töchtern gelingen wird, alles zu haben: Job, Kinder, Partnerschaft, Style und dazu ein angemessenes Verwöhnaroma, das mir gelegentlich im Leben fehlt?
Fragen über Fragen, die Jochen, mein Mann, sich so nie stellen würde. Zwar hadert er manchmal damit, dass er gleich drei Frauen zu Hause hat und jetzt auch noch einen Leihhund, ebenfalls weiblichen Geschlechts. Aber nie würde er Bücher über feige Männer lesen. Nie hätte er ein schlechtes Gewissen, weil er Job hat und Kinder. Nie würde er sich fragen, ob Cocosshampoo mehr Volumen bringt oder ob die Frage, ob Cocosshampoo mehr Volumen bringt, irgendwie unemanzipiert ist.
Eines allerdings ist auch meinem Mann klar: Wenn wir Jungs hätten, dann wär alles anders. Dann hätten wir andere Fragen und andere Herausforderungen. Aber welche???
Liebe Jungsmütter und -väter, sagen Sie es mir: Welche Rollen spielen Ihre Jungs – in Ihrem Leben, aber auch sonst. Haben Sie vielleicht einen, der später Prinzgemahl in Elternzeit werden will. Oder nichts dagegenhat, seiner Zukünftigen täglich erst aus den Gummistiefeln zu helfen und dann die Colliers zu reichen? Es würde mich irgendwie beruhigen.
Weniger ist schwer
Shop till you drop – wenn meine Mädchen könnten wie sie wollten, wäre das ihr Slogan. Ich hab was dagegen – bin aber auch keine Meisterin des Verzichts!
Es gibt Tage, da werde ich oben an der Wohnungstür gefilzt: »Hast du geshoppt?«, fragen meine Mädels streng, sobald ich verdächtige Tüten bei mir habe. Gut ist, wenn ich dann sagen kann: »Ja, meine Damen, ich shoppte. Und zwar bei Herrn Aldi: Schinkenspeck, mittelalten Gouda, Staubsaugerbeutel, 4 Liter Milch, zwei Stück Butter, drei Schulhefte. Bitte sehr!«
Nicht so gut ist, wenn ich sagen muss: »Ja, ich habe es getan. Eine neue Jeans, und Schuhe …, waren aber runtergesetzt.«
»Ha«, sagt dann die Zollfahndung, »aus der Sache kommen Sie nur mit Gegenleistung raus: Wir wollen auch eine Jeans und neue Schuhe und ein Smartphone und ein Bettelarmband. Und natürlich auch mal wieder ins Kino.«
Ja, die Damen vom Zoll neigen mitunter zur Maßlosigkeit. Möglichweise liegt das daran, dass wir in einer Stadt wohnen, die zufällig die teuerste der Republik ist, eine hohe Millionärsdichte hat und viele hübsche Läden mit kleinen Dingen, die man dringend braucht, sobald man sie gesehen hat. Obwohl man fünf Minuten zuvor gar nicht wusste, dass es sie gibt.
Im Laufe der Jahre sind Jochen und ich deshalb zu Widerstandskämpfern geworden: Wir kämpfen gegen den hemmungslosen Konsum und gegen die Vermüllung der Kinderzimmer. Wir kämpfen gegen mehr und für weniger, mehr oder weniger erfolgreich:
Wir argumentieren
Es gibt ein paar gute Gründe, die dafür sprechen, das Kinder nicht alles kriegen sollten, was sie haben wollen. Einer ist: Wir haben weder eine reiche Erbtante noch einen Dukatenesel. Ein anderer: Etwa jeder zehnte deutsche Jugendliche neigt zu süchtigem Kaufverhalten. Abwarten, Bedürfnisse aufschieben, selbst durch Leistung etwas verdienen – das können viele nicht. Und das ist schlecht – sagen die Psychologen. Aber erklären Sie das mal einer Achtjährigen: »Vorfreude ist doch was Tolles und bald ist ja auch Weihnachten«, sagte ich neulich zu Jette, als sie im Kaufhaus vor den Schleichtieren stand. »Ja«, sagte mein Kind, »aber für so ein
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