Ich bin ein Genie und unsagbar böse
Siebtklässler eignet. Falls ihr das Glück hattet, Fahrenheit 451 zu entgehen, dann lasst euch sagen, dass es einer dieser Romane ist, die euch in einer Tour demonstrieren wollen, wie aufregend Bücher und wie großartig die Leute sind, die sie schreiben . Schriftsteller lieben es einfach, solche Machwerke zu verfassen, und aus irgendeinem Grund lassen wir es ihnen durchgehen. Als würde man eine Fernsehshow produzieren, die den Titel trägt: Fernsehshows sind das Allergrößte und ihre Erfinder allesamt Genies . 2
In Fahrenheit 451 sind Bücher verboten (weil sie so mächtig sind), und die Feuerwehrleute haben die Aufgabe, alle Bücher auf einem riesigen Scheiterhaufen zu verbrennen. Vor diesem Blödsinn soll man also vor Begeisterung auf die Knie sinken. 3
Moorhead kommt an meinen einsamen kleinen Tisch und legt mir tröstend die Hand auf die Schulter. »Wirklich zu schade, dass du dir diese Chance entgehen lässt, Großer. Es handelt sich nämlich um eines der besten Bücher des letzten Jahrhunderts.«
Seine behaarten Finger bleiben wie kleine Raupen auf meiner Schulter liegen. Ich verzichte darauf, sie zu beißen. Eines der besten Bücher des letzten Jahrhunderts? Selbst wenn es » eines der besten Bücher …« wäre, muss man deshalb gleich so ein Tamtam machen? Verglichen mit dem besten Buch von heute würde Fahrenheit 451 bestimmt ziemlich alt aussehen.
Etwas gut zu können, bringt gar nichts, solange du nicht der Beste von allen bist. Sonst musst du dich irgendwann mit jemand messen, der dich schlagen könnte. Das ist auch der Grund, warum ich kein Fußball spiele, nicht tanze und auch nicht im Schulchor mitsinge, obwohl ich in all diesen Dingen ziemlich talentiert bin. Ich konzentriere mich lieber ganz auf das, was ich am besten beherrsche: ein Genie zu sein.
Ich bin das größte Genie des Universums.
Ich bin das größte Genie in der Geschichte des Universums. Außerdem bin ich von unaufhörlicher, uneingeschränkter und unaussprechlicher Bosheit - die mächtigste Kraft des Bösen, die je erschaffen wurde.
Und der arme Mr. Moorhead hält mich für den größten Holzkopf in seiner Klasse.
Es klingelt zur Pause. Moorhead wirft mir einen letzten mitleidigen Blick zu, ehe er zur Tafel zurücklatscht. »Also Leute, bis morgen das nächste Kapitel. Und denkt dran, eure Vorschläge zur Wahl des Schülerrats einzureichen.« Er lächelt Jack Chapman zu, der bescheiden sein hübsches Köpfchen senkt und sich verlegen durch seine weichen und wirren Haare fährt. Als Jack sich gemeinsam mit den anderen durch die Tür drängt, erntet er eine Menge Schulterklopfen. »Meine Stimme hast du, Jack!«, rufen viele ihm nach. Ich tue so, als wäre ich immer noch mit dem Einpacken meiner Bücher beschäftigt, damit ich auch mitbekomme, was als Nächstes passiert.
Zeit fürs Mittagessen. Wie immer zieht Moorhead die Schachtel aus seiner Hemdtasche und schüttelt eine Zigarette heraus. Er tut das direkt nach der Unterrichtsstunde, obwohl er im Klassenzimmer nicht rauchen darf - obwohl er in der ganzen Schule nicht rauchen
darf. Genauer gesagt, muss er sich mindestens zehn Meter vom Schulgelände entfernen, um sich einen seiner Todesstängel anzuzünden. Dennoch zieht er sie gleich nach Unterrichtsstunde aus seiner Tasche.
Er betrachtet die Zigarette sehnsüchtig … dann verblüfft. Er hält sie sich dicht vor seine altersschwachen Augen. Auf dem kleinen, runden Stängel steht eine zierliche Botschaft: DEINE DIÄT FUNKTIONIERT NICHT!
Für einen Augenblick bleibt sein Blick an der Zigarette hängen. Dann schaut er zornig und argwöhnisch auf, erblickt jedoch nur mich und Polly, die es ebenfalls nicht eilig hat, wenn auch aus einem anderem Grund. 4
Sie lächelt ihn einfältig an, doch er geht nicht darauf ein. Grenzdebil, wie ich bin, singe ich ein Lied vor mich hin, während ich unter dem Tisch nach einem Stift suche. Der Text des Lieds besteht nur aus wenigen Wörtern: »Drei schöne Fotos, die hätte ich gern …« Moorhead wirft mir einen verächtlichen Blick zu, bevor er aus dem Raum eilt.
Doch sein erschrockenes Gesicht in diesem kurzen Moment des Erstaunens war einfach wunderbar.
Und wenn ich das nächste Mal meinen Spind öffne, werden sich darin tatsächlich drei Farbfotos befinden, die diesen Augenblick festhalten.
Kapitel 2
Kinder sind Ungeziefer
Ein Wort über Kinder:
Erstens nenne ich sie »Kinder«, nicht »Kids«. Ich bin selbst ein Kind und finde das überhaupt nicht peinlich. Ohnehin wird die
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