Ich bin ein Mörder
verfehlte. Alexandra runzelte die Stirn.
»Weißt du, Tobias, ich habe …«
Mischa hatte endgültig genug. »Entschuldige die Unterbrechung, Alexandra, aber die Stunde ist um. Schönen Abend noch.«
Mitten im Satz ließ er die beiden stehen.
Überrascht schaute Alexandra ihm nach, wie er den Ausgang ansteuerte. Sie öffnete den Mund, aber Tobias kam ihr zuvor.
»Lass ihn gehen.« Er presste die Lippen aufeinander.
»Habt ihr euch gestritten?« Es war wohl doch ein Fehler gewesen, die beiden allein zu lassen. Schade. Dabei hatte sie ihren Plan für gut gehalten.
»Nein«, schnell zeigte Tobias wieder ein Lächeln. »Nein. Es tut mir leid, dass ich dich enttäusche. Ich konnte ihn partout nicht davon überzeugen, dass ich ein umgänglicher Mensch bin.«
»Das ist nicht deine Schuld. Vielleicht war es einfach nur eine dumme Idee, ihn mitzubringen. Dieses ganze Künstlermilieu, damit kann er nicht viel anfangen.«
»Aber immerhin, ihm gefallen die Bilder .«
Sein anzüglicher Unterton war nicht zu überhören.
»Mach dich nicht über ihn lustig!«
»Das liegt mir fern. Aber ich verstehe nicht so recht, wie du mit ihm klarkommst. Ein bisschen kulturelle und literarische Grundbildung bräuchte dieser Mensch schon. Ansonsten …«, leicht zerknirscht suchte er ihren Blick, von unten herauf, »… fehlt ihm einfach das passende Niveau, um mit dir zusammen zu sein. Er hat kein Wort von dem verstanden, was ich gerade sagte.«
Alexandra zog eine Schnute und rieb sich verlegen die Nasenspitze.
»Habe ich auch nicht, wenn ich ehrlich bin. Ist mein Niveau jetzt ein echtes Problem für dich?«
Sanft strichen seine Lippen über ihr Haar.
»Keineswegs! Du bist genau richtig für mich, so wie du bist.«
»Dann erklär mir, was du gemeint hast.«
»Siehst du, das ist der Unterschied! Du willst es wissen, aber ihm ist es egal, dass er nichts versteht.«
* * *
Er hatte es den ganzen Abend beobachtet. Eine Schande. Dieser Mensch war Ihm zuwider. Er konnte es sehen. Mehrfach war es ihm gelungen, ganz nah an Ihn heranzukommen. Er hörte Seine Worte. Einmal traf ihn Sein Blick. Dieser Blick, der schnitt wie eine Klinge, der härter war als Stahl, strahlender als die Sonne und vernichtender als ein Orkan. Er spürte Seine Verzweiflung über die ihm entgegengebrachte Ignoranz. Er musste Ihn beschützen.
Sein Atem bebte. Der Herr schickte ihm Zeichen, auch wenn Er vorgab, ihn nicht zu bemerken. Nicht zu erkennen. Nie das Wort direkt an ihn richtete. Er wollte seine Dankbarkeit zeigen. Ihm ein Geschenk machen. Er erinnerte sich an das Gespräch mit dem schrecklichen Mann, dessen Anwesenheit dem Herrn missfiel. Die wilde Erregung brachte seinen ganzen Körper zum Zucken. Er stöhnte unwillkürlich laut auf. Die Leute schauten ihn tadelnd an. Was wussten die schon von wahrer Hingabe. Nichts! Aber er wusste, welche Gabe er dem Herrn bereiten konnte, um Ihn zu erfreuen.
* * *
Normalerweise half ihm körperliche Betätigung, um mit sich ins Reine zu kommen. Mischa steckte den Kopf unter den Wasserhahn und spürte belebende Kälte über seinen Nacken rieseln. Er schüttelte die Tropfen aus den nassen Haaren. Ein kaltes Rinnsal lief über seine Brust. Mitternachtsjogging. Hatte nichts gebracht. Das Bild verschwand nicht mehr aus seinem Kopf. Stockmann mit blutiger Nase.
In der Ecke neben dem Schrank wartete eine bessere Lösung. Ein Geschenk von Alexandra und Ozzy. Damals, zum Einzug. Die Handschuhe zog er nicht an. Der Boxsack steckte alles ein, wehrte sich nicht. Er schlug zu, mit seiner ganzen Kraft. Aber das war es nicht, was er brauchte. Diesmal brachte die Erschöpfung keine Befriedigung. Er warf die verschwitzte Wäsche von sich und stieg unter die Dusche. Noch mehr kaltes Wasser. Jede Menge.
Sein Ärger kühlte nicht ab. Die Fingerknöchel brannten. Dieses arrogante Arschloch. Und Alexandra hing ergeben an seinen Lippen, merkte nichts davon. Wollte es nicht merken. Wollen Sie sich nicht wehren, Herr Michalczyk? Nein. Wollte er nicht. Konnte er nicht. Wie denn auch? Es musste ein anderes Mittel gegen diesen Mann geben, als mit ihm zu reden. Dabei konnte er nur verlieren. Der Mord auf dem Eisernen Steg. Der perfekteste Mörder von allen. Wenn da was dran war? Fröstelnd stellte er das Wasser ab und ging tropfend zum Küchentisch. Er hatte das Buch noch nicht ausgepackt. Ich bin ein Mörder. Der Titel lachte ihn an. Lachte ihn aus. Beweise, Herr Michalczyk. Wo sind Ihre Beweise? Abwarten. Angriffslustig ballte
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