Ich bin ein Mörder
er geworden.
* * *
»Kann ich reinkommen?«
Mischa öffnete die Tür weiter. Draußen stand Sebastian, Conrad Neumaiers jüngster Sohn.
»Klar. Wo brennt’s?«
Unschlüssig verzog Sebastian das Gesicht.
Vierzehn. Da brannte es überall. Mischa konnte sich gut erinnern.
Sebastian hockte sich auf den Fußboden vor Mischas Bett und streckte die viel zu langen Beine von sich. Wie immer trug er keine Schuhe, nur Sportsocken, die sicherlich irgendwann einmal weiß gewesen waren. Die Schweißabdrücke, die er beim Laufen hinterließ, zeugten von seinem unausgeglichenen pubertären Hormonhaushalt. Genau wie die ständig leicht depressive Stimmung und die glänzende Haut. Eigentlich war er ein hübscher Junge, der ganz nach seiner schlanken Mutter geriet, aber davon sah man wenig. Die schulterlangen Haare verdeckten einen Großteil des Gesichts und die Klamotten schlabberten drei Nummern zu groß um seinen Körper.
Mischa holte ein Bier aus dem Kühlschrank.
»Willst du auch was?«
»Wenn ich ein Bier kriege.«
Mischa kickte den Kühlschrank mit dem Fuß hinter sich zu und drückte Sebastian eine Flasche in die Hand.
»Das ist ja alkoholfrei!«
Ungeachtet des beleidigten Blickes öffnete Mischa beide Getränke und stieß mit dem Jungen an. Schweigend tranken sie einige Schlucke, dann schubste er Sebastian.
»Erzähl schon. Worum geht’s?«
Die Ohren zwischen den unordentlichen Haarsträhnen färbten sich schlagartig in tiefem Rot.
»Mädchen«, murmelte er. »Mädchen. Und Jungs.«
»Starker Stoff. Du bist verliebt?«
»Hmhm.«
»Nicht, dass ich nicht will, aber warum kommst du zu mir?«
»Zu wem denn sonst?«
»Na ja, du hast einen Vater.«
Sebastian lachte rau und verächtlich, mit seiner kippelnden Stimme, die sich mitten im Stimmbruch nie für eine Tonlage entscheiden konnte.
»Super Idee. Hast du mit deinem Vater über so was geredet?«
Wo er recht hatte, hatte er recht.
»Und Markus?«
»Pfff! Mein toller großer Bruder hat nix im Hirn außer Internet und Zocken und dieses dämliche Gotchaspielen.« Erschrocken brach er ab. »Scheiße!«
»Gotcha?«
»Verrat ihn nicht! Bitte, Mischa – der killt mich, wenn ich ihn verpfeife. Ehrlich. Der macht mich platt!«
»Ganz ruhig, Basti. Hab ich nicht vor, auch wenn ich eigentlich müsste. Das ist illegal. Eure Eltern …«
»… haben keine Ahnung. Obwohl, bei Mama weiß man nie. Die hat hinten Augen.«
»Aber sie ist in Ordnung, oder?«
»Die geht schon. Aber die ist doch ’ne Frau, meine Mutter eben, da kann ich doch nicht, also nicht über …«
»Sex?«
Stummes Nicken. Mischa sah das ein. Männersache. Ein wichtiges, unaufschiebbares Gespräch. Und er als Experte. Dazu fühlte er sich nicht gerade berufen, aber es schmeichelte ihm.
»Na dann los. Was willst du wissen?«
»Warst du mal so richtig verknallt? So von den Socken, dass du gedacht hast, ohne die Frau geht gar nichts mehr? Wenn ich die nicht haben kann, falle ich tot um, die ist die einzige für mein ganzes Leben?«
Nervös strich Mischa sich über die Haare.
»Na ja, das Gefühl kenne ich schon.«
Er zupfte kleine Fetzen vom Etikett der Flasche.
»Was hast du gemacht?«
»Es ihr gesagt. Zumindest habe ich es versucht.«
»Hat es funktioniert? Hast du sie gekriegt?«
Mischa drehte Kügelchen aus dem Papier und schnippte sie wahllos ins Zimmer. »Nein.«
Sebastian legte sich auf den Bauch. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, schaukelte Mischa die Flasche vor und zurück.
»War das Britta? Tut es immer noch weh?«
Mischa hörte auf zu schaukeln, trank den letzten Schluck.
»Nein und ja.«
»Wie jetzt?«
»Es war nicht Britta und es tut noch weh. Aber es geht hier nicht um mich. Erzähl mir von deinem Mädchen.«
»Na ja, sie ist … weiß auch nicht … toll eben.« Er brach ab. »Mischa, wie ist das, mit einem Mädchen zu schlafen?«
Mischa rutschte neben ihn. Fast berührten sich ihre Schultern. Eine gute Position, um einander nicht ins Gesicht sehen zu müssen.
»Kannst du es beschreiben?«
Mischa legte die leere Flasche vor sich auf die Seite und rollte sie in Richtung Kühlschrank. »Nein. Nicht wirklich.«
Sebastian tat es ihm nach und die Flaschen kullerten gemeinsam gegen den Schrank.
»Kann man es mit irgendwas vergleichen?«
Viel verlangt, an einem gewöhnlichen Montagabend.
»Das ist echt nicht leicht zu erklären. Es ist, wie … anzukommen, wo man schon immer hin wollte, oder sich fallen zu lassen, ohne zu wissen wie tief es ist, und
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