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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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keine Antwort. Vielleicht versuchte Stockmann nur, ihn mit diesem undurchsichtigen Geschwätz in die Irre zu führen. Mischas Zorn brodelte. Dieser überhebliche Fatzke hielt ihn für blöd. Ein einfacher, ungebildeter Bulle, der auch noch so aussah, mit seiner vierkantigen Statur. Oh ja, er wusste genau, was dieser Kerl von ihm dachte. Sollte er doch. Wenn er ihn unterschätzte, verringerte das seine Aufmerksamkeit, machte ihn anfällig für Fehler. Für den blöden Bullen musste man sich nicht so anstrengen, der kapierte ja sowieso die Zusammenhänge nicht. Aber da irrte Stockmann sich. Gewaltig.
    Das Saxophon war verstummt, seine Magenschleimhaut entspannte sich und die Gedanken ließen sich wieder sortieren. Der Richter und sein Henker. Alexandra hatte ihm die Story in groben Zügen erzählt. Die Parallelen zu Stockmanns Roman waren sicher kein Zufall. Ein Mörder, ein Kommissar und eine Brücke.
    »Wie lange ist das her, sagten Sie?«
    Tobias Stockmann legte den Kopf in den Nacken, seine Augen funkelten belustigt.
    »Ziemlich genau achtzehn Jahre. Oh, ich ahne, was Sie vorhaben! Sie werden nach ihm suchen, habe ich recht? Sie glauben, Sie können den Fall lösen.« Jetzt lachte er laut. »Sie Narr! Wie können Sie sich einbilden, etwas zu finden, nach all der Zeit, wenn es doch damals schon nichts zu finden gab?«
    Mischa blieb stumm.
    »Sie werden sich die Zähne ausbeißen. Es gibt keine Beweise. Nirgendwo. Reine Zeitverschwendung. Aber Sie haben ja nichts Besseres zu tun, in Ihrer Freizeit. Sie haben nichts, außer Ihrer Arbeit. Wie frustrierend, wenn man es dann nur bis zum Streifenbullen gebracht hat, was? Da kommt ein potentieller Mörder gerade recht. Endlich die Möglichkeit, sich zu profilieren, der ganzen Welt zu zeigen, dass man mehr drauf hat, als nur das grüne Besoffenentaxi zu fahren. Eine Aufgabe für Helden. Den Bösewicht zur Strecke bringen. Aber vielleicht sehen Sie mich völlig falsch. Fragen Sie Alexandra. Ich bin ein netter Junge, der nur ein bisschen spielen will. Spaß haben. Das sagte ich vorhin schon. Mit Ihnen werde ich eine Menge Spaß haben. Sie auf der einen Seite, ich auf der anderen. Auf meiner Seite steht die Unmoral, das Böse, der Spaß, Sex und nicht zu vergessen: Alexandra. Und auf Ihrer Seite? Wieso sind Sie so schweigsam, Herr Michalczyk? Wollen Sie sich nicht wehren? Lassen Sie das einfach so auf sich sitzen? Soll ich noch einen Schritt weiter gehen? Auf ihrer Seite steht nichts außer Langeweile. Sie konnten nicht mal Ihre Frau halten; wurden verlassen, und was Neues ist nicht in Sicht. Ihre Kollegin dagegen lässt nichts anbrennen, aber sie lässt Sie nicht ran. Warum bloß? Kann es sein, dass Sie ein Schlappschwanz sind? Dass Sie es nicht bringen; nicht im Leben und nicht im Bett?«
    Äußerlich zeigte Mischa keine Regung. Doch die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.
    »Es juckt Sie in den Fingern, mich zu schlagen. Warum tun Sie es nicht! Sie sind wütend. Sie wissen genau, dass Sie mir körperlich überlegen sind, obwohl ich größer bin. Kommen Sie schon, schlagen Sie zu! Seien Sie ehrlich zu sich selbst. Das ist es doch, was Sie jetzt wollen!«
    Mischas Halsmuskulatur verspannte sich brennend, die Hand ballte sich in der Tasche zur Faust. Er war wütend, mehr als das. Der Kerl hatte so recht. Aber ihm war klar, dass er Stockmann einen Gefallen damit erweisen würde, wenn er sich gehen ließ. Er konnte nur verlieren. In seinem Bauch sprangen die Saxophontöne gegen die Wände, jämmerlich, heulend, wütend. Sein stures Schweigen forderte Stockmann weiter heraus.
    Als Alexandra zurückkehrte, versuchte dieser eine neue Strategie. Er küsste sie zur Begrüßung auf die Wange und legte sofort den Arm um ihre Taille.
    »Du hast mit Gabriele de Witte gesprochen. Ist sie nicht eine exorbitante Künstlerin?«
    »Ja, sie ist toll.«
    Alexandra sah Mischa forschend an. Stockmann deutete auf ein großformatiges Kunstwerk.
    »Einfach frappierend diese Allegorien, die sie in ihren Gemälden verwendet, nicht wahr? Fulminant, wie sie das brachiale Aufeinanderprallen von Impressionismus und Expressionismus gestaltet. Wobei mir immer wieder auffällt, dass ihre Kairophobie und der implizierte Antiklerikalismus absolut kohärent sind. Sie avisiert sozusagen das Eindringen des Lettrismus in die Malerei. Finden Sie nicht auch, Herr Michalczyk?«
    »Nein. Eigentlich nicht. Aber mir gefallen die Bilder.«
    Ungerührt erwiderte er Stockmanns Blick, dessen blasierter Spott sein Ziel

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