Ich Bin Ein Schwein
abzeichnete und beschleunigte den kleinen Peugeot, um noch rechtzeitig vor der einbrechenden Dunkelheit ihr Ziel zu erreichen.
Dann endlich sah sie in der Ferne das Dorf. Es war einer dieser typischen, bretonischen Orte, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein schien. Die holperige Fahrbahn war gesäumt von dichtem Gebüsch, die düstere Dorfkirche in der Mitte der Gemeinde überragte eine Reihe niedriger Wohngebäude. Kurz nachdem Julie die Ortseinfahrt passiert hatte, fiel ihr Blick auf den Leuchtturm, der ein gutes Stück hinter den Häusern direkt am Strand stand und in regelmäßigen Intervallen einen gleißenden Lichtfinger über das dunkle Meer schickte.
Nur noch diese eine Nacht, dachte sie, dann bin ich bei Antoine. Was er wohl sagen wird, wenn ich ihm zeige, was ich mitgebracht habe? Wenn er erfährt, was mich wirklich heiß macht!
Sie lächelte unwillkürlich. Wie es sich wohl anfühlen würde, Fesseln zu tragen, wehrlos zu sein und dabei von Antoine berührt zu werden? Sie hoffte, es würde ihm gefallen. Auf jeden Fall würde es ihr gefallen!
Das Dorf war so winzig, dass sie ihr Hotel schon nach wenigen Minuten fand. Als sie davor anhielt, stand ihr Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Das windschiefe Gebäude hatte nur zwei Stockwerke, einige Dachziegel fehlten und von der Fassade bröckelte die Farbe ab. Nur wenige der unteren Fenster waren schwach erleuchtet.
Julie atmete tief durch, hievte ihren Trolley aus dem Kofferraum und ging eilig zu der schiefen, kleinen Eingangstür.
Beim Eintreten umfing sie ein warmer Luftschwall. Zigarettenqualm vermischte sich mit dem Geruch von abgestandenem Bier. Der Schankraum war nur schwach durch das trübe Glas einer einzigen, fleckigen Lampe erhellt. Er war fast leer. Nur an der hinteren Wand saßen drei Männer an einem grob gezimmerten Holztisch und unterhielten sich lautstark. Sie lachten, tranken Bier und spielten nebenbei Karten.
„Los, du gibst aus“, hörte Julie den einen Mann zu seinem Gegenüber sagen. „Bist so selten hier. Musst morgen wieder den Schiffern heimleuchten?“
Julie trat an die schäbige Theke. Der dicke Wirt blickte nicht einmal auf.
„Ich habe reserviert“, sagte sie in einem möglichst forschen Ton.
Erst jetzt sah sie der Wirt mit seinen rot geränderten Augen an.
„Für Madame Dupont?“, krächzte er gelangweilt, mit dünner Stimme, und wischte sich seine wulstigen Finger an seiner Schürze ab.
Julie nickte eifrig. Der Wirt drehte sich behäbig um, klaubte einen kleinen Schlüssel vom Brett und drückte ihn in ihre Hand.
„Treppe rauf, links, Zimmer 112“, schnaufte er und wies mit einer unbestimmte Geste in eine dunkle Ecke der Gaststube, von der aus Stufen nach oben führten. Julie wandte sich ab und ging zur Treppe. Als sie unterwegs den Tisch mit den einzigen Gästen passierte, unterbrachen die drei Männer einen Augenblick ihr Kartenspiel und starrten sie an. Zwei von ihnen waren alt, ihre Gesichter waren wettergegerbt und voller Falten. Einer griente sie an und Julie starrte voller Abscheu auf seine gelblichen Zähne. Der dritte, jüngere Mann saß lässig mit dem Rücken an die Wand gelehnt und beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. Er mochte Mitte Dreißig sein, hatte einen kahlrasierten Schädel und sehnige, tätowierte Unterarme. In der Linken hielt er seine Spielkarten, seine Rechte ruhte auf dem Tisch. Neben seiner Hand stak ein scharfes Bowiemesser in der rauen Tischplatte. Die lange Klinge funkelte im trüben Licht. Julie schluckte und beschleunigte ihren Schritt.
Als sie sich an der Treppe noch einmal kurz umdrehte, sah sie immer noch den Blick des Fremden auf sich ruhen. Er taxierte sie unruhig und verzog sein Gesicht zu einem überlegenen Grinsen. Julie wandte sich schnell um und ging eilig die dunklen Stufen hoch.
Das Zimmer war winzig, aber Julie war nach der stundenlangen Autofahrt zufrieden damit. Sie warf den Trolley auf das schmale Bett, öffnete ihn und kramte ihren Kosmetikbeutel heraus. Dann ging sie in das kärglich ausgestattete Bad, warf ihre Kleider ab und duschte lange. Zurück im Zimmer, begann sie sich aus der Unmenge an mitgebrachten Kleidungsstücken ihre Garderobe für den nächsten Tag zurechtzulegen. Als sie eine besonders schöne Bluse herauszog, fiel ihr Blick auf die Handschellen, den Knebel und die neunschwänzige Katze. Julie musste lachen. Gedankenverloren legte sie sich ein schwarzes Lederhalsband um, schloss die Augen und atmete mit einem verstohlenen
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