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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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legte das Heft neben sich auf den Tisch. Dann ließ sie ihren Tränen freien Lauf und mit ihnen den Erinnerungen. Die waren alles, was ihr von einer glücklichen Zeit geblieben war, vielleicht dem einzig wirklichen Lichtblick in ihrem Leben. Mitch hatte ihr Leben verändert, in jeglicher Hinsicht.
    Vorher und nachher.
    Mit ihm hatte sie die Leidenschaft entdeckt und erlebt, was Liebe sein kann und auszurichten vermag. Er hatte ihr das größte Geschenk der Welt gemacht, denn sie hatte sich geliebt und begehrt gefühlt, hatte sich als Frau und als Mutter fühlen dürfen. All das hatte er zurückverlangt, als er von einem Tag auf den anderen im Nichts verschwunden war und sie mit einem kleinen Kind zurückgelassen hatte. Carmens Mutter hatte ihn nie leiden können, und als sie die Gewissheit hatte, dass er nicht zurückkommen würde, war ihr, ohne dass sie es jemals ausgesprochen hätte, das » Ich hab’s ja gesagt « vom Gesicht abzulesen. Carmen ertrug die Anspielungen, damit ihre Mutter sich um das Kind kümmerte, wenn sie zur Arbeit ging. Doch sie zog nicht wieder nach Hause zurück, sondern ging abends in ihre eigene Wohnung zusammen mit Nick, der das Ebenbild seines Vaters war. Sie las ihm Geschichten vor oder sah sich mit ihm Comics und Motorradzeitschriften an.
    Eines Tages lernte sie dann Elias kennen, Latino wie sie selbst, ein netter Junge, der als Koch in einem Restaurant im East Village arbeitete. Eine Weile gingen sie wie gute Freunde miteinander aus. Elias war ein sanfter und rücksichtsvoller Mann, und man konnte Meilen gegen den Wind sehen, wie verliebt er war. Er verlangte nichts und behielt seine Hände bei sich.
    Carmen ging es gut mit ihm. Sie redeten viel, und Nick mochte ihn ebenfalls. Sie liebte Elias zwar nicht, doch als er ihr vorschlug zusammenzuziehen, willigte sie nach einigem Zögern ein. Sie nahmen einen Kredit auf und kauften sich ein Häuschen in einem lebhaften Viertel in Queens. Er bestand darauf, dass sie als Eigentümerin eingetragen wurde.
    Obwohl ihr noch die Tränen über die Wangen liefen, musste Carmen bei der Erinnerung an diesen sanften, einfachen Mann lächeln.
    Armer Elias. Das erste Mal hatten sie sich in ihrem eigenen Haus geliebt. Er war schüchtern, zärtlich und unerfahren gewesen. Wie ein Kind hatte sie ihn an die Hand nehmen und ihn durch seine Emotionen führen müssen. Einen Monat später merkte sie, dass sie schwanger war, und genau neun Monate nach ihrer ersten Nacht wurde Allison geboren.
    Sie hatte eine Familie. Ein Sohn, eine Tochter und ein Lebensgefährte, der sie liebte, saßen um einen Tisch herum. Der Mann, den sie sich in ihrem tiefsten Innern immer noch herbeiwünschte, saß nicht da, und es war nicht das strahlende Glück der Tage mit Mitch. Trotzdem verspürte sie jene Zufriedenheit, die, wenn man sie als wichtigen Schritt begreift, den Beginn des Alters markiert.
    Leider schien es ihr nicht vergönnt, einen Mann an ihrer Seite zu haben.
    Auch Elias ging. Er erkrankte an Leukämie und schwand innerhalb kürzester Zeit dahin. Den bedauernden Gesichtsausdruck von Dr. Myra Collins, einer Internistin des Krankenhauses, in dem Carmen damals gearbeitet hatte, hatte sie noch vor Augen. Sie hatte sie beiseitegenommen und ihr die Ergebnisse der ersten Untersuchungen erläutert, deutliche und freundliche Worte, die in Carmens Ohren schon wie Beileidsbekundungen geklungen hatten.
    Wieder war sie allein und beschloss, dass es von nun an so bleiben sollte. Sie und ihre Kinder, nur sie drei. Nick war ein sanfter, liebenswerter Junge, während Allison sehr eigenwillig war. Eines Tages vertraute ihr Nick an, dass er schwul sei. Carmen war das schon länger klar, doch sie hatte gewartet, bis er von sich aus die Sprache darauf brachte. Für sie änderte sich nichts dadurch. Nick war und blieb ihr Sohn. Als intelligente Frau und liebende Mutter ließ sie es nicht zu, dass seine sexuelle Orientierung ihre Achtung vor dem Menschen, der er war, irgendwie schmälerte. Einen ganzen Nachmittag sprachen sie über die Demütigungen, die er erlitten hatte, über den langen, schweren Weg, den er hinter sich gebracht hatte, bevor er sich inmitten einer Gesellschaft von Jungen, die sich den Chauvinismus zur Lebensregel gemacht hatten, annehmen konnte, wie er war. Dann verkündete er, dass er mit seinem Freund nach West Village ziehen würde.
    Carmen stand auf, ging in die Küche und riss ein Blatt von der Küchenrolle ab, um sich die Augen zu trocknen. Wenn sie es genauer

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