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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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ihr bewusst wurde, nahm sie sie schnell wieder weg und hoffte, dass er es nicht gemerkt hatte.
    » Was hast du dann gemacht?«
    » Ich habe überlebt, indem ich alle Aufträge angenommen habe, die ich kriegen konnte. Modestrecken, Fotos für Fachzeitschriften, sogar Hochzeiten. Vor allem aber habe ich allzu oft auf das Geld meiner Familie zurückgegriffen.«
    Vivien suchte nach Worten, mit denen sie dieser Beichte die Schwere nehmen könnte, doch das Handy kam ihr zuvor. Auf dem Display stand der Name Bellew.
    Sie stellte die Verbindung her.
    » Ja, Alan?«
    » Ein wirklicher Glückstreffer. Ich hatte die Verantwortlichen des 70 . Reviers angerufen und sie um die Recherche gebeten. Als ich sagte, sie sollen alle verfügbaren Leute daransetzen, haben sie mich für verrückt erklärt.«
    » Das glaube ich gern. Haben sie etwas gefunden?«
    » Die Frau heißt Carmen Montesa. Als sie weggezogen ist, war sie so umsichtig, bei der Polizei ihre neue Adresse zu hinterlassen. Ich habe das überprüft. Es gibt im Telefonverzeichnis tatsächlich noch einen Eintrag auf ihren Namen an der genannten Adresse in Queens. Ich schicke dir die Nummer gleich auf dein Handy.«
    » Du bist großartig, Alan.«
    » Die erste Frau, die mir das gesagt hat, war meine Hebamme. Stell dich also bitte hinten an, meine Liebe. Gutes Gelingen, und halte mich auf dem Laufenden.«
    Vivien stand auf. Russell tat es ihr nach. Er hatte begriffen, dass die Pause vorbei war.
    » Neuigkeiten?«
    » Das wollen wir doch hoffen. Fürs Erste haben wir die Adresse der Frau, dann sehen wir weiter.«
    Vivien wischte sich den Mund ab, legte die Papierserviette auf den Tisch und ging zum Auto. Russell warf einen melancholischen Blick auf die Burger, die er kaum angerührt hatte. Dann folgte er Vivien und ließ eine Geschichte zurück, die, was auch immer geschehen würde, vermutlich nie ein Ende nahm.

22
    Carmen Montesa liebte Zahlen.
    Sie hatte sie immer geliebt, schon als Kind. In der Grundschule war sie die Klassenbeste gewesen. Die Beschäftigung mit Zahlen vermittelte ihr ein Gefühl von Ordnung und Frieden. Sie liebte es, sie mit ihrer sauberen, kindlichen Schrift in die Kästchen des Karopapiers einzutragen, nebeneinander oder untereinander, jede mit ihrem grafischen Zeichen und ihrer quantitativen Bedeutung. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Klassenkameraden fand sie das sehr kreativ. In ihrer kindlichen Fantasie hatte sie den Zahlen sogar Farben zugewiesen. Die Vier war gelb, und die Fünf war blau. Die Drei war grün, und die Neun war braun. Und die Null bestand aus einem leuchtenden, unberührten Weiß.
    Auch jetzt saß sie in ihrem alten Ledersessel und hatte eine Zeitschrift mit Sudoku-Rätseln im Schoß liegen. Leider war von ihrer kindlichen Fantasie nicht viel übrig geblieben, und die Zahlen waren nur noch schwarze Zeichen auf dem weißen Papier einer Zeitschrift, sonst nichts. Die Farben waren mit der Zeit verschwunden, und sie hatte entdeckt, dass die Null, wenn man sie auf Menschenleben bezieht, keine schöne Farbe hat.
    Eigentlich hätte sie sich ein anderes Leben gewünscht. Sie wäre gerne aufs College gegangen und hätte ein Fach gewählt, das mit Zahlen zu tun hat, damit sie diese zu ihrem Beruf hätte machen können. Die Umstände hatten es anders gewollt.
    In einem Film hatte mal jemand gesagt, dass das Leben in New York sehr schwierig ist, wenn du Mexikaner und arm bist. Dem hatte sie nur zustimmen können. Gegenüber den anderen Mädchen in ihrer Situation hatte sie allerdings den Vorteil gehabt, dass sie schön war. Das hatte ihr sehr geholfen. Nie war sie echte Kompromisse eingegangen, auch wenn sie im Laufe der Zeit gelernt hatte, die ein oder andere Zudringlichkeit zu ertragen. Nur einmal hatte sie dem Leiter der Krankenpflegeschule einen runtergeholt, um sicherzugehen, dass sie aufgenommen werden würde. Als sie entdeckt hatte, dass ein Großteil ihrer Mitschülerinnen äußerst hübsch war, war ihr klar geworden, dass sie nicht als Einzige diese Art Aufnahmeprüfung absolviert haben dürfte.
    Dann war sie Mitch begegnet …
    Carmen schob die Zeitschrift zur Seite, als sie merkte, dass eine Träne daraufgetropft war und die Tinte in den Sudoku-Kästchen zerfloss. Die Zahl, die sie soeben hingeschrieben hatten, eine Fünf, hatte einen dicken Bauch bekommen und war jetzt von einem bläulichen Hof umgeben, der Null allzu ähnlich.
    Unglaublich, dass ich nach diesen vielen Jahren immer noch weine …
    Sie schalt sich eine dumme Kuh und

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