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Ich bin kein Berliner

Ich bin kein Berliner

Titel: Ich bin kein Berliner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kaminer Wladimir
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Von den meisten Reiseführern werden sie ignoriert. Einer befindet sich in Mitte – im Köllnischen Park neben dem Märkischen Museum, ein weiterer in Lichtenberg – neben dem Eingang zum Tierpark Friedrichsfelde. Dazu kommen noch jede Menge frei lebende Waschbären in den Außenbezirken der Stadt, wo sie teilweise eine wahre Plage sind. Eine noch wahrere Plage sind aber die tausende von Plastikbären in Kriegsbemalung, die vor besonders lokalpatriotischen Unternehmenssitzen stehen. Diese Bären wurden von Künstlern aus aller Welt bemalt. Die Idee dazu stammt von einem Frankfurter Avantgarde-Künstler, der auch mal richtig Geld verdienen wollte. Den Anfang machte jedoch die Stadt Zürich – mit bunten Plastikkühen.

Berliner Kuppe
    Ein hier weitverbreiteter Spruch lautet: »Berlin ist nicht Deutschland.« Dem stimme ich zu. Wer Deutschland sehen will, der muss in den Wald gehen. Zweiundachtzig Millionen Menschen leben in der Bundesrepublik sehr kompakt auf zwölf Prozent ihres Territoriums, einschließlich Verkehrsflächen. Die restlichen Prozent sind Wälder und Felder, Seen und Flüsse. Eigentlich ein idealer Fleck zum Urlaubmachen. Trotzdem gelten die Deutschen als reiselustigste Nation der Welt. Jedes Mal wenn die Urlaubszeit ausbricht, verlassen sie ihre heimischen Kurorte und suchen das Weite. Die Bürger der ehemaligen DDR hatten ihr Recht auf Urlaub im Ausland 1989 sogar zu einer politischen Forderung gemacht. Sie gingen auf die Straße mit Plakaten wie »Visafrei nach Hawaii« oder »Ohne Scham nach Pakistan« (na gut, das zweite habe ich mir ausgedacht) und errangen damit die deutsche Wiedervereinigung.
    »Wie war’s denn? Das erste Mal auf Hawaii?«, wollte ich meine Ostberliner Bekannten fragen, fand aber niemanden, der tatsächlich nach Hawaii gefahren war. Vielleicht sind die ersten ostdeutschen Hawaiitouristen gar nicht mehr zurückgekommen? Dabei hatte die DDR so viele Urlaubsmöglichkeiten zu bieten. Ihre naturparadiesischen Landschaften haben noch heute den höchsten Attraktivitätsindex: Mecklenburgische Seenplatte, Leipziger Tieflandsbucht, Thüringer Wald … Was man hat, schätzt man jedoch nicht.
    Heute ist der Traum von Fernreisen im Großen und Ganzen ausgelebt, die veränderten Arbeitsbedingungen, die uneingeschränkte Freizeit auf Lebenszeit geben einem Urlaub zu Hause neuen Sinn. In den Jahren nach dem Mauerfall wurde Ostdeutschland außerdem dermaßen schick herausgeputzt, dass es nun reif für jeden anspruchsvollen Reisekatalog ist. Insofern wundert es nicht, dass die Ostdeutschen ihren Urlaub wieder zu Hause verbringen, während sie zur Arbeit in den Westen fahren. Gleichzeitig werden ihre ostdeutschen Moor- und Heilbäder, die alten Schlösser und Kirchen gerne und häufig von westdeutschen Rentnern besucht, die busweise durch Brandenburg oder Sachsen touren.
    Auf Kurortebene hat sich die Wiedervereinigung überall vollzogen, nur in Berlin ist die Lage noch nicht so erfreulich. Die deutsche Hauptstadt fehlt in der allgemeindeutschen Kurort-Tauglichkeitstabelle komplett, sie kann gerade noch in der unteren Spalte »festlegbare landschaftliche Vielseitigkeit« einen Platz finden. Erforderlich dafür sind »ein geringer Waldanteil und Vorhandensein von Wasser oder mindestens einer Bergkuppe«. Diese unsichtbare Berliner Bergkuppe steht exakt dort, wo früher die Mauer verlief. Auf beiden Seiten des Berges leben Menschen, die nicht gern klettern. Und so bleiben die meisten unter sich.
    »Neulich musste ich einen Umweg fahren, über den Westen«, hört man, oder: »Ich kenne da einen Arzt im Osten.«
    »Wo wohnen Sie denn? Ist das noch Osten oder schon Westen?«, fragte mich neulich eine Beamtin im Landeseinwohneramt, als ich dort eine Einladung für meine Petersburger Freunde bestätigen lassen wollte.
    »Ich wohne in Berlin«, sagte ich. »Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass die Mauer vor sechzehn Jahren gefallen ist.«
    »Nein, das ist mir nicht entgangen«, die Beamtin blickte mir tief in die Augen, »denn ick muss jeden Abend nach Wedding durch den Osten fahren.«
    Irgendwas hatte sie gegen den Osten.
    »Ach, Sie wohnen in Wedding? Schön, so orientalisch«, konterte ich.
    Im Nachhinein war mir dieser plötzlich ausgebrochene Ostpatriotismus etwas peinlich. Auch bei uns hinterm Berg führen die meisten ein Leben in der vertrauten Ostumgebung und sind so gut wie nie drüben.
    Ein Freund von uns lernte vor einem Jahr eine Westberlinerin auf Ibiza kennen, sechs Monate später zog

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