Ich bin kein Berliner
offen. Der einzige Weg vom Ukrainer an die frische Luft führt unglücklicherweise durch die Halle, in der Jacuzzis verkauft werden. Kaum bleibt man bei einem solchen Whirlpool stehen, schon fragen einen die Verkäufer, ob man fünf Minuten Zeit für sie hätte. Und jedes Mal kaufe ich dort unfreiwillig einen Jacuzzi, den ich am nächsten Tag wieder umständlich abbestellen muss.
Dieses Jahr haben wir ein besonders heikles Exemplar erwischt: »Palermo« – ein Sechssitzer mit Unterwasserbeleuchtung. Zuerst blieben die Kinder vor dem Gerät stehen, und die junge Verkäuferin sprach uns sofort an, ob wir schon mal daran gedacht hätten, einen Jacuzzi für die ganze Familie zu erwerben.
»Eigentlich nicht«, antworteten wir wahrheitsgemäß.
»Setzen Sie sich doch fünf Minuten. Ich mache Ihnen ein Angebot, das Sie nicht ablehnen können«, sagte die Verkäuferin. Und schon war es geschehen. Während sie uns nach der Adresse fragte, zogen sich die Kinder schon einmal aus, um in die Wanne zu steigen. Mit einem Kostenvoranschlag in Höhe von dreizehntausend Euro in der Hosentasche zog ich die ganze Familienbande nach draußen. Auf dem Rückweg gelang es mir, den Kindern verständlich zu machen, dass »Palermo« nicht in unsere Wohnung passe, weder durch die Tür noch durch ein Fenster. Wir werden uns nächstes Jahr einen anderen Ausgang aus dem ukrainischen Pavillon suchen müssen.
TIPP:
Wer außerhalb von solchen Großereignissen wie Berlinale, Funkausstellung und internationale Tourismusbörse sowie den wandernden Erotikmessen und der Grünen Woche nach Berlin kommt, dem seien die vielen Kinderbauernhöfe empfohlen, die es fast in jedem Problembezirk gibt. In Kreuzberg gibt es sogar drei. Daneben empfiehlt sich auch noch ein Besuch des ebenfalls selbst organisierten Kinderzirkus »Cabuwazi«, von dem es inzwischen schon vier gibt.
Berliner Dialekt
Der Prenzlauer Berg ist gut für die Nerven. Seine Bewohner sind ganz nach meinem Geschmack: ruhige Menschen, die Zeit haben, mit Nachdenklichkeit im Gang, keine Frühaufsteher. Die Männer sitzen am liebsten mit einer alten Zeitung in der Hand vor dem Haus, die Frauen sind gerne schwanger, oder sie versammeln sich in kleinen Gruppen und versperren mit ihren Kinderwagen den Strebern den Weg. Bei den letzten Wahlen bekamen die Grünen und die Linkspartei hier fast alle Stimmen, die CDU blieb mit ihrer sozialen Kälte draußen. So sind meine Nachbarn – progressiv denkende, weltoffene Ökofreaks, die gerne in Mülleimer schauen. Ständig sehe ich hier Leute auf der Straße, die Kippen oder leere Bierflaschen einsammeln. Für viele ältere Menschen ist die Mülltrennung vom Hobby zum Hauptberuf geworden. Sie wühlen in den Mülltonnen, um für eine bessere, saubere Welt das Gute darin vom Schlechten zu trennen.
Zu einer solchen Welt gehört auch der höfliche Umgang miteinander. Meine Nachbarn geben sich Mühe, indem sie ihren Berliner Dialekt auf das Wesentliche reduzieren, um ihren Nächsten nicht aus Versehen auf die Pelle zu rücken. Wenn sich hier zwei alte Freunde treffen, sagt der eine: »Na?«
Zurück ins Deutsche übersetzt bedeutet das so viel wie: »Guten Tag, alter Schwede, wir haben uns aber lange nicht gesehen! Was macht die Frau, das Kind, der Hund? Wie geht es deiner Oma?«
Der andere reagiert in der Regel entweder mit einer leichten Kopfbewegung, die auf gewisse Schwierigkeiten in seinem Leben hindeutet, oder ebenfalls mit einem bestimmten »Na« – ein Signal, das besagt, dass bei ihm alles in Ordnung ist. Danach klopfen sie einander auf die Schulter und gehen weiter, jeder in seine Richtung.
Wenn zwei Unbekannte aufeinandertreffen, sagen sie nichts. Doch auch in diesem Kommunikationsparadies trifft man manchmal rückständige Elemente, die vor Beleidigungen nicht zurückschrecken.
Neulich ging ich Brötchen holen. Eigentlich ist die Frau meines Vertrauens bei uns für Brötchen zuständig, weil ich als Schriftsteller zu eingespannt bin. Wir Autoren sind realitätsferne Menschen, wir spinnen uns immer weiter fort und verlieren uns dabei oft völlig in den eigenen Phantasien. Ich arbeitete gerade an einem neuen Roman, und plötzlich waren die Brötchen alle. Die Frau meines Vertrauens meinte dazu, sie habe endgültig die Nase voll von faulen Säcken, und wollte wissen, wann ich überhaupt das letzte Mal abgewaschen oder etwas eingekauft hätte. Außerdem erfuhr ich noch, dass meine Frau seit über einem Jahr überhaupt keine Brötchen mehr aß,
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