Ich bin kein Berliner
es nicht zu spät, noch kann er zurück. Die Verheirateten werden einzeln verhört.
Inzwischen haben die Mitarbeiter der Ausländerbehörde eine solche Meisterschaft erreicht, dass es dort tatsächlich nur der ganz großen Liebe gelingt durchzukommen. Wer seine Beziehung mit Würde durch die Hölle der Ausländerbehörde getragen hat, wird seine Ehe zu schätzen wissen. Neulich heiratete eine Freundin von uns, eine Staatsangehörige der Gruppe B, zum zweiten Mal einen Deutschen – ein kurioser Fall, der wahrscheinlich alle hundert Jahre einmal vorkommt. Die Beamtin war außer sich vor Wut und las die entsprechende Akte von Anfang bis zum Ende laut vor.
»Das ist doch nicht zu fassen«, rief sie schließlich. »Ich kann gar nicht so schnell lesen, wie sich dein Leben verändert!« Der deutsche Bräutigam, ein fanatischer Fußballspieler, den es zum ersten Mal in die Ausländerbehörde verschlagen hatte, regte sich auf und wollte nicht geduzt werden. »Und du, raus hier«, beschied ihn die Beamtin barsch. Es gab einen großen Zirkus, der aber dem Amt nichts nützte: Die beiden bekamen ihren Antrag am Ende doch durch.
»Du triffst doch manchmal auf Politiker. Falls du in nächster Zeit irgendwohin eingeladen wirst, wo Herr Schily auch ist, nimm mich mit, ich muss kurz mit ihm reden«, sagte der Fußballer hinterher zu mir.
Ich werde ihn natürlich nicht mitnehmen. Der Fußballer war nämlich früher Boxer und neigt zur Unsachlichkeit.
TIPP:
Mein Ausgehtipp ist in diesem Fall Dänemark . Dort gibt es gleich mehrere Orte, an denen man innerhalb von vierundzwanzig Stunden verheiratet wird, egal, ob mit Mann oder Frau. Diese Ämter sind vor allem für Heiratswillige mit problematischer Dokumentenlage interessant. Die Dänen (Habe die Öre) sprechen von »komplizierten und dringenden Fällen für die Bürger der ehemaligen UdSSR« und ganz allgemein von einer »Express-Heirat für binationale Paare«.
Berliner Aberglaube
In schweren und in guten Zeiten sucht jeder Mensch nach geheimen Symbolen und versteckten Zeichen; er kann nicht überleben, ohne an irgendetwas zu glauben. Zyniker und Romantiker, Propheten und Atheisten – alle glauben an irgendetwas. Es hilft und erschöpft sie gleichzeitig. Der US-Präsident glaubt an Gott. Mein Sohn an Peter Pan. Ich versuche immer, nicht auf Gullis zu treten, weil ich glaube, das bringt Unglück.
Viele meiner Landsleute glauben immer noch an die Werbung aus dem Westen. Sie glauben tatsächlich, dass es für die neue flexible Zahnbürste Assex keine schwer erreichbaren Stellen gibt, obwohl die Russen, wie alle anderen Völker dieser Welt, an wirklich schwer erreichbaren Stellen überhaupt keine Zähne haben. Außerdem glauben fast alle in Russland, dass man nie abends seine Schulden zurückzahlen soll, da man sonst arm wird. Man darf ein Buch nicht über Nacht offen liegen lassen, sonst verliert man morgens sein Gedächtnis. Und man muss mit den Füßen immer nach Osten schlafen, weil sich dort das Paradies befindet. Wenn man im Schlaf stirbt, muss man nur geradeaus gehen. Wenn die linke Hand juckt, kommt Geld in die Tasche. Wenn die rechte Hand juckt, trifft man einen Freund. Wenn man eine Sternschnuppe vom Himmel fallen sieht, hat man einen Wunsch frei.
Die Deutschen glauben, dass die Zahl dreizehn Unglück bringt, dass man zurückgehen muss, wenn man über die Schwelle gestolpert ist, und dass Bier in braunen Flaschen schlecht wird. Viele glauben auch an die schwarze Katze, die einem in die Quere kommt: Läuft sie von rechts – pecht’s, läuft sie von links – das bringt’s.
Auch die Russen glauben an die schwarze Katze, nur anders als hier bringt sie immer Unglück, egal, ob sie von links oder von rechts kommt. Meine Landsleute sind Fatalisten, sie glauben gerne an das Ende der Welt, an das große Schwarze Loch und dass die Sonne bald erkaltet. Das hilft ihnen weiterzukommen. Die Deutschen glauben an den Schornsteinfeger und dass es Glück bringt, wenn man ihn trifft. Und dass man zu Weihnachten überall im Haus Münzen hinlegen muss, um im nächsten Jahr reich zu werden. In Russland sind die Chancen, einem Schornsteinfeger zu begegnen, gleich null. Dafür gelten dort Spinnen als Liebesbriefe und Kakerlaken als Geldbringer. Hauptsache man glaubt daran und zweifelt nicht. Denn wer zweifelt, wird nie glücklich und reich.
Neulich äußerte der Papst in einer Rede: »Die Tatsache, dass immer noch Kriege geführt werden, stellt für die Menschheit ein großes Problem
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