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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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Halde ein Müllberg. Ich ging nicht gern daran vorbei, weil er so schrecklich stank. Manchmal sahen wir schwarze Ratten herumlaufen, und über dem Berg kreisten die Krähen.
    Eines Tages waren meine Brüder nicht zu Hause, und meine Mutter hatte mich gebeten, dort ein paar Kartoffel- und Eierschalen wegzuwerfen. Mit gerümpfter Nase betrat ich die Müllhalde, wedelte die Fliegen weg und passte auf, dass ich mit meinen schönen Schuhen nirgendwo hineintrat. Als ich die Abfälle auf den Berg mit den vor sich hin rottenden Speiseresten warf, sah ich, dass sich plötzlich etwas bewegte, und machte vor Schreck einen Satz.
    Es war ein Mädchen, etwa in meinem Alter. Seine Haare waren stumpf, und die Haut war mit wunden Stellen übersät. Es sah so aus, wie ich mir Shashaka vorstellte, die schmutzige Frau, von der sie uns im Dorf immer Geschichten erzählt hatten, um uns zum Waschen anzuhalten. Das Mädchen hatte mehrere Säcke dabei und sortierte den Müll nach Dosen, Schraubverschlüssen, Glas sowie Papier.
    In ihrer Nähe standen Jungen mit an Schnüren festgemachten Magneten, mit denen sie den Abfall nach Metall durchsuchten. Ich wollte mit den Kindern reden, aber ich hatte zu viel Angst.
    Als mein Vater am Nachmittag aus der Schule kam, berichtete ich ihm von den Müllkindern und bettelte ihn an, mit mir zusammen dorthin zu gehen. Das tat er auch, und er versuchte, mit ihnen zu sprechen. Aber die Kinder rannten davon. Er erklärte mir, dass sie das, was sie aus dem Müll fischten, für ein paar Rupien an einen Müllhändler verkauften, der die Sachen dann mit Gewinn an Firmen veräußerte, die die jeweiligen Materialien gebrauchen konnten. Auf dem Heimweg sah ich, dass er Tränen in den Augen hatte.
    »Aba, du musst ihnen Freiplätze in deiner Schule geben«, sagte ich. Er lachte. Meine Mama und ich hatten ihn bereits dazu überredet, einigen anderen armen Mädchen ein paar Gratisplätze zu geben.
    Auch wenn meine Mutter keine Schulbildung genossen hatte, war sie der praktische Typ in der Familie. Sie war die, die Hand anlegte, mein Vater war eher der Redner. Sie war immer unterwegs, um Leuten zu helfen. Manchmal wurde mein Vater sauer, dann, wenn er nach Hause kam und rief: »Tor Pekai, ich bin da!« Nur um gleich darauf festzustellen, dass sie nicht anwesend war und somit auch kein Essen auf ihn wartete. Er fand schließlich heraus, dass sie jemanden im Krankenhaus besuchte oder einer Familie ihre Unterstützung angeboten hatte. Natürlich konnte er ihr nicht böse sein. Manchmal allerdings war sie auch zum Einkaufen im Cheena-Basar. Das war dann etwas anderes.
    Wo immer wir lebten, füllte meine Mutter das Haus mit Menschen. Mein Zimmer daheim teilte ich mit Kusine Aneesa aus dem Dorf, die bei uns lebte, damit sie zur Schule gehen konnte. Und mit einem Mädchen namens Shehnaz. Shehnaz’ Mutter Sultana hatte einmal bei uns gearbeitet. Shehnaz und ihre Schwester waren auch zum Sortieren des Mülls geschickt worden, nachdem ihr Vater gestorben war und sie sehr arm zurückgelassen hatte. Einer ihrer Brüder war geisteskrank und machte immer seltsame Sachen, zum Beispiel zündete er ihre Kleider an oder verkaufte den Ventilator, den wir ihnen geschenkt hatten, damit sie es nicht so heiß hatten. Sultana war sehr aufbrausend, und meine Mama wollte sie eigentlich nicht im Haus haben, aber mein Vater organisierte für sie ein kleines Taschengeld und für Shehnaz und ihren großen Bruder zwei Gratisplätze an der Khushal. Shehnaz war noch nie zur Schule gegangen, und obwohl sie zwei Jahre älter war als ich, wurde sie zwei Klassen unter mir eingestuft. Sie zog zu uns, damit ich ihr helfen konnte.
    Dann gab es noch Nooria, deren Mutter Kharoo uns beim Waschen und Putzen half, und Alishpa, eine der Töchter von Khalida, jener Frau, die meine Mutter beim Kochen unterstützte. Khalida war das Mädchen aus unserem Dorf, das zur Heirat an einen älteren Mann verkauft worden war, der schon eine Frau hatte. Sie wurde regelmäßig von ihm geschlagen, und irgendwann lief Khalida mit ihren drei Töchtern davon. Ihre eigene Familie hätte sie nicht wieder bei sich aufgenommen, weil es heißt, dass eine Frau, die ihren Mann verlassen hat, Schande über die Familie bringt. Eine Zeitlang sammelten ihre Töchter auch Müll, um zu überleben. Ihre Geschichte klang wie aus den Romanen, die ich zu lesen begonnen hatte.
    Die Schule war in der Zwischenzeit sehr gewachsen und bestand bereits aus drei Gebäuden – das ursprüngliche Haus in

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