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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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Laudikas war die Grundschule, dann gab es in der Yahya Street eine weiterführende Schule für Mädchen und eine für Jungen, mit einem großen Rosengarten neben den Überresten des buddhistischen Tempels. Alles in allem hatten wir etwa 800  Schüler, und obwohl die Schule im Grunde nicht wirklich profitabel war, vergab mein Vater mehr als 100 Freiplätze.
    Einer dieser Plätze ging an einen Jungen, dessen Vater, Sharafat Ali, meinem einst geholfen hatte, als er ein mittelloser Student war. Sie kannten sich noch aus dem Dorf, und Sharafat Ali hatte damals Arbeit beim Stromwerk. Wann immer er es sich leisten konnte, gab er ihm ein paar hundert Rupien. Mein Vater war froh, sich revanchieren zu können.
    Ein weiterer Gratisplatz gehörte einem Mädchen aus meiner Klasse, das Kausar hieß. Kausars Vater bestickte Gewänder und Schals – ein Handwerk, für das unsere Gegend berühmt ist. Ab und zu machten wir Ausflüge in die Berge, und weil ich wusste, dass Kausar kein Geld hatte, bezahlte ich ihre Teilnahme von meinem Taschengeld.
    Armen Kindern Gratisplätze zu geben bedeutete nicht nur, dass mein Vater für sie kein Schuldgeld einnahm. Einige der wohlhabenderen Eltern nahmen ihre Kinder von der Schule, als sie merkten, dass sie mit den Söhnen und Töchtern jener Leute in eine Klasse gingen, die ihre Häuser putzten oder ihre Kleidung nähten. Sie betrachteten es als Schande für ihre Kinder, sich mit den Jungen und Mädchen mittelloser Leute abgeben zu müssen.
    Meine Mutter sagte, dass diese Kinder in der Schule nur schwer etwas lernen könnten, wenn sie zu Hause nichts zu essen bekämen, und deshalb erschienen einige der Mädchen morgens bei uns zum Frühstück. Mein Vater witzelte immer, unser Heim sei in Wirklichkeit eine Pension.
    Die vielen Menschen erschwerten mir das Lernen. Ich war so glücklich gewesen, ein eigenes Zimmer zu haben, und mein Vater hatte mir sogar einen Frisiertisch gekauft, an dem ich meine Hausaufgaben erledigen konnte, und jetzt wohnten zwei Mädchen bei mir. Manchmal musste ich weinen, weil ständig so viele Leute da waren. »Ich will Platz!«, jammerte ich dann. Aber sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich wusste, wie gut wir es hatten. Ich dachte dann an die Kinder vom Müllberg. Ich konnte das schmutzige Gesicht des Mädchens nicht vergessen, hörte nicht auf, meinen Vater damit zu nerven, auch diese Kinder in seiner Schule aufzunehmen.
    Er sagte, dass diese Kinder für ihre Familien das Geld verdienten. Würden sie zur Schule gehen, hieße das, dass die ganze Familie hungern musste, selbst wenn der Schulplatz umsonst war.
    Doch er brachte Azaday Khan, einen wohlhabenden Philanthropen, dazu, ihm die Produktion eines Flugblatts zu bezahlen, auf dem stand: »
Kia hasool e elum in bahun ka haq hahe –
Ist Bildung nicht das Recht jedes Kindes?« Mein Vater ließ Tausende dieser Flugblätter drucken, legte sie auf örtlichen Versammlungen aus und verteilte sie in der ganzen Stadt.
    Inzwischen wurde er im Swat langsam ein bekannter Mann. Obwohl er weder ein Khan noch reich war, hörten die Menschen ihm zu. Sie wussten, dass er in Workshops und auf Seminaren einen interessanten Beitrag leisten würde und keine Angst davor hatte, die Behörden zu kritisieren und auch nicht das Militär, das wieder einmal unser Land regierte. Auch dort war er kein unbeschriebenes Blatt, und Freunde erzählten ihm, dass der örtliche Kommandant ihn öffentlich als »tödlich« bezeichnet hatte. Mein Vater wusste zwar nicht, was genau der Kommandant damit meinte, aber in einem Land wie unserem, in dem das Militär so viel Macht hatte, klang das nicht besonders gut.
    Eines seiner Lieblingshassobjekte waren die »Geisterschulen«, bei denen einflussreiche Leute in abgelegenen Gegenden Gelder für öffentliche Schulen kassierten, die nie auch nur einen Schüler hatten. Stattdessen benutzten sie die Gebäude als Gasthäuser oder als Stall für ihre Tiere. Es gab sogar einen Fall, wo ein Mann eine Lehrerpension bezog, ohne in seinem Leben auch nur einen einzigen Tag unterrichtet zu haben.
    Abgesehen von Korruption und schlechter Verwaltung, galt seine Hauptsorge in jenen Tagen der Umwelt. Mingora wuchs sehr schnell – die Stadt zählte inzwischen etwa 175000  Einwohner –, und unsere früher so frische, saubere Luft wurde durch die vielen Abgase und Kochfeuer verschmutzt. Die schönen Bäume auf unseren Hügeln und Bergen wurden gefällt. Etwa die Hälfte der Bevölkerung in unserer Stadt, meinte

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