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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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hatten, wie sie plötzlich auf die Straße traten und unseren Bus zum abrupten Anhalten zwangen. Noch hatte ich Gelegenheit, ihnen auf ihre Frage »Wer ist Malala?« eine Antwort zu geben oder ihnen zu erklären, warum sie uns Mädchen wie auch ihre Schwestern und Töchter zur Schule gehen lassen sollten.
    Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass ich dachte: »Ich muss noch für morgen lernen.« Was in meinem Kopf widerhallte, waren nicht die drei Schüsse, sondern dieses Köpf, köpf, köpf – tropf, tropf, tropf des Metzgers, der den Hühnern den Kopf abhackte. Und dann war da das Bild von kleinen Pfützen, die feine Rinnsale von rotem Blut bildeten.
    (Copyright © Asad Hashim / Al Jazeera. Courtesy of Al Jazeera English; AlJazeera.com)
Der Bus, in dem ich angeschossen wurde.

Teil IV
    Zwischen Leben und Tod

    Khairey ba waley darta na kram
    Toora topaka woranawey wadan korona.
     
    Oh, ihr Gewehre der Finsternis!
    Wie sollte ich euch nicht verfluchen?
    Aus der Heimat voller Liebe habt ihr
    Schutt und Asche gemacht.

21
    »Gott, ich lege sie in Deine Hände«
    S obald Usman Bhai Jan klarwurde, was passiert war, raste er mit dem Dyna ins Swat Central Hospital. Die Mädchen schrien und weinten. Ich lag auf Monibas Schoß. Aus dem Kopf und aus meinem linken Ohr floss weiter Blut. Wir waren noch nicht weit gekommen, als ein Polizist uns aufhielt und anfing, Fragen zu stellen, und damit kostbare Zeit verplemperte. Eines der Mädchen tastete an meinem Hals nach einem Pulsschlag. »Sie lebt!«, schrie sie. »Wir müssen sie ins Krankenhaus bringen. Lasst uns fahren! Fangt lieber den Mann, der das getan hat!«
    Uns kommt Mingora zwar wie eine große Stadt vor, doch im Grunde ist sie klein, und die Nachricht machte schnell die Runde. Mein Vater befand sich zu dem Zeitpunkt im Swat-Presseclub auf einer Konferenz des Verbands der Privatschulen und hatte gerade die Bühne betreten, um eine Rede zu halten, als sein Mobiltelefon klingelte. Als er sah, dass der Anruf von der Khushal-Schule kam, reichte er das Telefon an seinen Freund Ahmad Shah weiter. »Euer Schulbus ist beschossen worden«, zischte er meinem Vater zu.
    Meinem Vater wich alle Farbe aus dem Gesicht. Sein erster Gedanke war, ich könnte in dem Bus gesessen sein, doch dann versuchte er, sich zu beruhigen, redete sich ein, dass es vielleicht ein eifersüchtiger Junge gewesen war, der mit der Pistole in die Luft geschossen hatte, um seine Liebste bloßzustellen. Dies war eine wichtige Konferenz: Etwa 400  Schuldirektoren aus dem ganzen Swat hatten sich versammelt, um gegen die Pläne der Regierung zur Einrichtung einer zentralen Regulierungsbehörde zu protestieren. Mein Vater glaubte, als Präsident des Verbands die Versammlung unmöglich enttäuschen zu können, und so hielt er seine Rede wie geplant. Doch dabei standen ihm die Schweißperlen auf der Stirn. Dieses Mal brauchte er ausnahmsweise kein Signal zum Aufhören. Sofort nach seiner Rede eilte mein Vater, statt sich wie sonst den Fragen des Publikums zu stellen, mit seinen Freunden Ahmad Shah und Riaz, der ein Auto hatte, los. Das Krankenhaus war nur fünf Minuten entfernt.
    Unsere Rektorin Madam Maryam mit Shazia, einem der Mädchen, das bei dem Anschlag auf mich ebenfalls angeschossen wurde.
    Als sie ankamen, sahen sie vor der Eingangstür eine große Menschenmenge, außerdem Fotografen und Fernsehkameras. In diesem Augenblick wusste er, dass ich dort war. Meinem Vater sank der Mut. Er kämpfte sich durch die Menge und stürmte unter Blitzlichtgewitter ins Krankenhaus. Ich lag auf einer Trage, den Kopf verbunden, die Augen geschlossen, die Haare offen. »
My daughter, you are my brave daughter, my beautiful daughter –
meine Tochter, meine tapfere Tochter, meine schöne Tochter!«, sagte er immer wieder und küsste mich auf Stirn und Wangen und Nase. Warum er in diesem Moment Englisch sprach, wusste er selbst nicht. Irgendwie war mir klar, dass er da war, auch wenn ich die Augen geschlossen hatte. Mein Vater sagte: »Ich kann es nicht erklären. Ich habe gespürt, dass sie mich wahrnahm.« Später erzählte jemand, ich hätte gelächelt. Doch für meinen Vater war es kein Lächeln, sondern ein kleiner, schöner Moment, weil er ahnte, dass er mich nicht für immer verloren hatte. Mich so zu sehen war das Schlimmste, das ihm jemals passiert war. Alle Kinder sind für ihre Eltern etwas Besonderes, doch für meinen Vater war ich sein Universum. Ich war schon so lange seine Mitstreiterin, zuerst

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