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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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Selbstmordattentätern. Der Hubschrauber landete, und ich wurde sofort auf die Intensivstation gebracht, die in einem isoliert stehenden Flachbau untergebracht ist. Die Uhr auf der Station zeigte kurz nach fünf Uhr nachmittags. Ich wurde in einen isolierten Raum ganz aus Glas gerollt, und eine Schwester hängte mich an den Tropf. Nebenan lag ein Soldat, der in eine Sprengfalle geraten war und schreckliche Verbrennungen erlitten hatte. Außerdem hatte er ein Bein verloren.
    Ein junger Mann kam in meinen gläsernen Bereich herein und stellte sich als Oberst Junaid vor, er sagte, er sei der Neurochirurg im CMH . Mein Vater wurde immer unruhiger. Der Mann sah viel zu jung aus für einen Arzt. »Ist das Ihre Tochter?«, fragte der Oberst meinen Vater. Er war sehr bestimmt und schickte Ahmad Shah und meinen Vetter hinaus. »Infektionsgefahr«, erklärte er knapp. Madam Maryam tat, als wäre sie meine Mutter, damit sie bleiben konnte.
    Oberst Junaid untersuchte mich. Ich war bei Bewusstsein, doch sehr unruhig, sprach nicht und bekam nichts mit. Meine Augen flatterten. Der Oberst nähte die Wunde über meiner linken Augenbraue, in die die Kugel eingedrungen war. Doch als er sich die Aufnahmen von meinem Kopf ansah, war er verwundert, weil er die Kugel nirgends entdecken konnte. »Wenn es eine Eintrittswunde gibt, muss es auch eine Austrittswunde geben«, meinte er. Er tastete meinen Rücken ab und lokalisierte die Kugel schließlich links von meinem Schulterblatt. »Sie muss sich gebückt haben, so dass der Hals gebeugt war, als sie getroffen wurde«, sagte er.
    Es wurden weitere CT -Aufnahmen gemacht. Danach rief Oberst Junaid meinen Vater in sein Sprechzimmer, wo er die Ergebnisse auf einem Bildschirm hatte. Er gab meinem Vater zu verstehen, dass die Aufnahmen im Swat lediglich aus einem einzigen Winkel gemacht worden waren. Die neuen CT -Bilder zeigten, dass die Verletzung gravierender war als gedacht. »Sehen Sie, Ziauddin«, sagte er. »Diese Aufnahme hier verdeutlicht, dass die Kugel sehr nah am Gehirn vorbeigegangen ist.« Er erklärte weiter, Knochensplitter hätten die Hirnhaut verletzt. »Wir können nur zu Gott beten und abwarten«, sagte er zum Schluss. »In diesem Stadium können wir nicht operieren.« Nun regte mein Vater sich richtig auf. Im Swat hatten die Ärzte behauptet, es sei alles ganz harmlos, und jetzt schien es plötzlich sehr ernst zu sein. Und wenn es so ernst war, weshalb operierten sie dann nicht? Er fühlte sich nicht wohl in diesem Militärkrankenhaus. In unserem Land, wo die Armee so oft die Macht an sich gerissen hat, sind wir dem Militär gegenüber misstrauisch. Vor allem die Menschen aus dem Swat, wo das Militär so lange gebraucht hatte, ehe es gegen die Taliban aktiv wurde. Einer seiner Freunde rief meinen Vater an und meinte: »Schaff sie aus diesem Krankenhaus raus, damit sie nicht zur
shaheed millat
(einer nationalen Märtyrerin) wird wie Liaquat Ali Khan.«
    Mein Vater wusste nicht, was er tun sollte. »Ich bin ganz durcheinander«, sagte er zu Oberst Junaid. »Weshalb sind wir hier? Ich dachte, man würde uns in ein ziviles Krankenhaus bringen.« Dann bat er: »Können Sie bitte Dr. Mumtaz holen?« – »Wie sähe das denn aus?«, antwortete der Oberst sichtlich beleidigt. Wir sollten später feststellen, dass er trotz seines jugendlichen Aussehens bereits seit 13 Jahren in diesem Bereich arbeitete und der erfahrenste und höchstdekorierte Neurochirurg der pakistanischen Armee war. Er war wegen der überragenden medizinischen Ausstattung als Arzt zum Militär gegangen und damit in die Fußstapfen seines Onkels getreten, der ebenfalls als Neurochirurg für die Armee tätig war. Das Krankenhaus in Peshawar stand an vorderster Front im Krieg gegen den Terror, und Oberst Junaid hatte täglich mit Schusswunden und Bombenopfern zu tun. »Ich habe schon Tausende Malalas operiert«, erklärte er später einmal. Doch das konnte mein Vater damals nicht wissen; er war sehr niedergeschlagen. »Tun Sie, was immer Sie für richtig halten«, sagte er. »Sie sind der Arzt.«
    In den folgenden Stunden blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten, während die Krankenschwestern regelmäßig meinen Puls und die Vitalzeichen kontrollierten. Ab und zu stöhnte ich leise, bewegte die Hand oder zuckte mit den Augen. Dann sagte Madam Maryam: »Malala, Malala!« Einmal schlug ich die Augen auf, und sie bemerkte: »Mir ist nie aufgefallen, wie schön ihre Augen sind.« Ich war unruhig und versuchte, mir

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