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Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ...

Titel: Ich bin Malala: Das Mädchen, das die Taliban erschießen ... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malala Yousafzai
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Da hatten mein Vater und ich etwas gemeinsam.
     
    Meine Mutter ist sehr schön, und mein Vater bewunderte sie, als sei sie eine zerbrechliche chinesische Vase. Nie legte er Hand an sie, anders als viele Männer bei uns. Sie heißt Tor Pekai, und das bedeutet »rabenschwarze Zöpfe«, dabei hat sie kastanienbraune Haare. (Mein Großvater hatte den Namen vor ihrer Geburt auf Radio Afghanistan gehört; er gefiel ihm.) Zu gern hätte ich ihre lilienweiße Haut, ihre feinen Gesichtszüge und grünen Augen gehabt, aber ich erbte den fahlen Teint, die breite Nase und die braunen Augen meines Vaters. In unserer Kultur haben alle Menschen Kose- oder Spitznamen – meine Mutter nannte mich
Pisho
, seit ich ein Baby war, und manche Kusinen riefen mich
Lachi,
das ist Paschtu für »Kardamom«. Schwarzhäutige Menschen werden oft »weiß« gerufen und kleine Menschen »groß«. Wir haben einen kuriosen Sinn für Humor. Mein Vater war in der Familie als
khaista dada
bekannt, als ein »schöner Mann«.
    Eines Tages, ich war ungefähr vier Jahre alt, saßen wir beisammen. Ich fragte ihn: »Aba, was für eine Hautfarbe hast du?«
    Er antwortete: »Ich weiß nicht, ein bisschen weiß, ein bisschen schwarz.«
    »Das ist so, als würde man Milch im Tee verrühren.«
    In diesem Augenblick lachte er, aber als Junge hatte er sich so geschämt, weil er dunkelhäutig war, dass er Büffelmilch vom Feld holte und sich ins Gesicht schmierte, weil er dachte, er würde davon heller.
    Erst als er meine Mutter traf, fühlte er sich wohl in seiner Haut. Von einem so schönen Mädchen geliebt zu werden gab ihm Selbstvertrauen.
    In unserer Gesellschaft werden Heiraten meistens unter Familien abgesprochen, aber bei ihnen war es eine Liebesheirat. Ich konnte nicht genug von der Geschichte hören, wie sie sich kennengelernt hatten. Sie stammten aus benachbarten Dörfern in dem abgelegenen Shangla-Tal im oberen Swat und sahen einander im Hof, wenn mein Vater zum Lernen zu seinem Onkel ging und meine Mutter ihre Tante besuchte. Die Häuser lagen nebeneinander, so bekamen sich mein Vater und meine Mutter oft genug zu sehen, um bald zu merken, dass sie sich mochten. Aber bei uns ist es verboten, sich so etwas zu sagen. Stattdessen schickte er ihr Gedichte, die sie nicht lesen konnte.
    Meine Mutter sagt: »Ich habe seinen Verstand bewundert.«
    Er sagt: »Und ich ihre Schönheit.« Dabei lacht er jedes Mal.
    Doch es gab ein großes Problem. Meine beiden Großväter kamen nicht miteinander aus. Als mein Vater also verkündete, er wolle um Tor Pekais Hand anhalten, war keine Familie so recht glücklich darüber. Sein eigener Vater meinte allerdings, es sei seine Sache. Er stimmte zu, einen Barbier als Heiratsvermittler zur Familie meiner Mutter zu schicken, was die traditionelle Art der Paschtunen ist. Malik Janser Khan lehnte ab. Doch mein Vater ist ein dickköpfiger Mensch und überzeugte meinen Großvater, den Barbier noch einmal loszuschicken. Janser Khans Hujra , also das Gästehaus, war ein Ort, an dem sich die Männer trafen, um über Politik zu reden. Mein Vater war oft dort, so lernten die beiden sich etwas besser kennen. Der Vater meiner Mutter ließ ihn neun Monate warten, aber am Ende stimmte er der Hochzeit zu.
    Meine Mutter stammt aus einer Familie starker Frauen und einflussreicher Männer. Ihr Vater saß wegen einer Stammesfehde mit einer anderen Familie eine Zeitlang im Gefängnis. Ihr Großvater war gestorben, als ihr Vater neun Jahre alt war. Dessen Mutter, meine Urgroßmutter, marschierte fünfzig Kilometer übers Gebirge, um den mächtigen Vetter um seine Freilassung zu bitten. Ich glaube, meine Mutter würde für uns dasselbe tun.
    Obwohl sie nicht lesen und schreiben kann, teilt mein Vater alles mit ihr, erzählt ihr von seinem Tag, Erfreuliches und Unerfreuliches. Sie zieht ihn gern auf und sagt ihm, wen sie für einen wahren Freund hält und wen nicht, und sie hat immer recht. Die meisten Paschtunen tun so etwas nie, denn es gilt als Schwäche, Probleme mit seiner Frau zu besprechen. »Er fragt sogar seine Frau!«, sagen sie dann, und das ist als Beleidigung gemeint.
    Aber ich sehe, dass meine Eltern glücklich sind und viel lachen. Die Menschen, die uns kennen, meinen, wir seien eine nette Familie.
    Meine Mutter ist sehr fromm und betet fünfmal täglich, allerdings nicht in der Moschee, denn die ist nur für die Männer. Sie missbilligt es, wenn Frauen tanzen; sie sagt, es würde Gott nicht gefallen, aber sie schmückt sich gern mit

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