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Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1

Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1

Titel: Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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könnten ja gemeinsam mal was unternehmen. Ich, ganz cool: »Ja, das wäre nett« – aber innerlich hebe ich ab und fliege gen Himmel.

11
    Immer wieder tauchen Bilder vor meinem inneren Auge auf, meistens, wenn ich sie am wenigsten erwarte. Manchmal sind die Erscheinungen kurz und flüchtig: meine Großmutter mit einem Glas Wasser in der Hand, sie öffnet den Mund und will etwas sagen – aber ich weiß nie, was, weil das Bild so schnell wieder verschwindet, wie es erschienen ist. Ab und zu bleiben die Erinnerungen etwas länger, wie die von meinem Großvater, der mich auf einer Schaukel abstößt. Ich spüre dabei die Stärke seiner Arme, das Flattern in meinem Magen, wenn ich heruntersause, der Wind trägt mein Lachen davon. Dann ist das Bild weg. Manchmal erinnere ich mich exakt an Details aus meiner Vergangenheit und daran, dass ich ein Teil von ihnen war. Doch gelegentlich sind sie für mich so neu, als hätte sich das, was sie mir zeigen, nie ereignet.
    Als Henri im Wohnzimmer mit dem lorienischen Kristall über meine Arme streicht, während meine Hände über Flammen hängen, sehe ich Folgendes: Ich bin noch klein – drei, vielleicht vier – und laufe durch das frisch gemähte Gras vor unserem Haus. Neben mir ist ein Tier mit einem Körper wie ein Hund, aber mit einem Tigerfell. Sein Kopf ist rund, der Brustkorb breit auf kurzen Beinen. Es gleicht keinem Tier, das ich kenne. Es duckt sich, bereit, auf mich zu springen. Ich kann gar nicht aufhören zu lachen. Dann springt es, ich will es fangen, bin aber zu klein, wir fallen beide ins Gras und ringen miteinander. Es ist stärker als ich. Dann springt es in die Luft, undstatt zurückzufallen, verwandelt es sich in einen Vogel und umflattert mich so, dass ich es gerade nicht erreichen kann. Dann schießt es zwischen meinen Beinen hindurch und landet einen halben Meter entfernt auf dem Boden. Dort wird es zu einem Tier, das aussieht wie ein Affe ohne Schwanz. Es duckt sich, um zu mir zu springen.
    Da kommt ein Mann den Weg herauf. Er ist jung und trägt einen engen, taucherähnlichen Gummianzug in Silber und Blau. Er spricht mit mir in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Dann ruft er: »Hadley!«, und nickt dem Tier zu. Es läuft zu ihm, wird dabei größer und verwandelt sich in etwas Bärenähnliches mit einer Löwenmähne. Ihre Köpfe sind auf gleicher Höhe, und der Mann krault Hadley unterm Kinn. Mein Großvater kommt aus dem Haus. Trotz seiner mindestens fünfzig Jahre sieht sein Gesicht jugendlich aus.
    Er schüttelt dem Mann die Hand, sie reden miteinander, doch ich verstehe immer noch nichts. Dann blickt mich der Mann an, lächelt, streckt die Hand nach mir aus – und plötzlich fliege ich durch die Luft. Hadley folgt, jetzt wieder als Vogel. Obwohl ich eigentlich die Kontrolle über all meine Körperfunktionen habe, entscheidet der Mann, wohin ich fliege, er weist mit der Hand nach links oder rechts. Hadley und ich spielen in der Luft, er kitzelt mich mit seinem Schnabel, ich versuche ihn zu packen.
    Und dann öffne ich die Augen und die Bilder sind verschwunden.
    »Dein Großvater konnte sich unsichtbar machen, wenn er wollte«, höre ich Henri sagen. Ich schließe die Augen wieder. Der Kristall fährt mir weiter über die Arme und verbreitet das Feuer, für das mein übriger Körper unempfindlich ist. »Ein sehr seltenes Erbe, es entwickelt sich nur bei einem Prozent unserer Leute, und er war einer von ihnen. Er konnte sich und das, was er berührte, völlig verschwinden lassen. Einmal wollte ermir einen Streich spielen, bevor ich wusste, was seine geerbten Gaben waren. Du warst etwa ein Jahr alt und ich hatte gerade begonnen, mit deiner Familie zu arbeiten. Am Vortag war ich zum ersten Mal bei euch gewesen, und als ich jetzt zum zweiten Mal den Hügel hinaufkam, war das Haus verschwunden. Ich sah die Auffahrt, einen Wagen und den Baum, aber kein Haus. Ich dachte, ich verliere den Verstand. Ich ging weiter. Dann, als ich wusste, dass ich zu weit gelaufen war, drehte ich mich um – und dort, in einiger Entfernung, stand das Haus. Also machte ich kehrt, aber sowie ich in die Nähe kam, verschwand das Gebäude wieder. Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf den Fleck, wo es sein musste, sah aber nur die Bäume dahinter. Also marschierte ich ziellos dort herum, wo ich das Haus vermutete. Erst beim dritten Mal ließ dein Großvater das Gebäude endgültig wieder erscheinen. Er konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Ich stimmte ein.

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