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Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1

Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1

Titel: Ich bin Nummer Vier - das Erbe von Lorien; Bd. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gelingt, bekommt er einen verzückten Blick, reißt die Arme hoch und schreit: »Ja!«, so laut er kann. So bekomme auch ich mehr Vertrauen in meine ererbten Fähigkeiten. Die übrigen müssen noch kommen, aber ich glaube, sie sind nicht mehr weit. Auch das wichtigste Erbe, was immer es sein mag. Die aufgeregte Erwartung hält mich die meisten Nächte wach. Ich will kämpfen, mich rächen. Ich giere nach einem Mogadori, auf den ich mich hier im Hof stürzen kann.
    Heute fällt mir das Training leicht. Kein Feuer. Meistens muss ich nur Dinge anheben und sie in der Luft manipulieren. In den letzten zwanzig Minuten wirft Henri mir Gegenstände zu – manchmal lässt er sie einfach zu Boden fallen, dann wieder fälscht er den Wurf so ab, dass die Geschosse sich wie Bumerangs in der Luft drehen und zu ihm zurücksausen. Einmal fliegt ein Fleischhammer so schnell zurück, dass Henri kopfüber in den Schnee abtaucht, um nicht getroffen zu werden. Ich lache. Henri nicht. Bernie Kosar liegt die ganze Zeit auf dem Boden und beobachtet uns interessiert. Nach dem Training dusche ich, mache meine Hausaufgaben und decke den Küchentisch.
    »Am Samstag gehe ich übrigens zu einer Party.«
    Henri hört auf zu kauen. »Bei wem?«
    »Mark James.« Und als er überrascht aufschaut, erkläre ich schnell, bevor seine Einwände kommen: »Das ist jetzt alles vorbei.«
    »Nun, du musst es wissen. Vergiss nur nicht, was du riskierst.«

25
    Und dann schlägt das Wetter um. Auf frische, eisige Winde und ständige Schneeschauer folgen blauer Himmel und acht, neun Grad über null. Die weiße Decke schmilzt. Zuerst stehen Pfützen in der Auffahrt und im Hof, die Straße ist nass, man hört neben Autogeräuschen Wasserspritzer – doch schon nach einem Tag ist all das Wasser abgeflossen und verdunstet. Eine kurze Pause, eine Schonfrist, bevor der alte Gevatter Winter wieder die Herrschaft übernehmen wird.
    Ich sitze auf der Veranda, warte auf Sarah und betrachte den Nachthimmel mit seinen blitzenden Sternen und dem Vollmond. Eine dünne Wolke schneidet den Mond kurz in zwei Hälften, dann verschwindet sie wieder. Ich höre knirschenden Kies, dann erkenne ich Scheinwerferlicht. Der Wagen hält und Sarah steigt aus. Sie trägt eine dunkelgraue Schlaghose und eine marineblaue Strickjacke unter einer beigen Jacke. Das blonde Haar fällt ihr über die Schultern. Sie lächelt mit übertriebenem Augenaufschlag, als sie näher kommt – und ich habe nach fast drei Monaten Zusammensein immer noch Schmetterlinge im Bauch, wenn ich sie sehe. Schwer, sich vorzustellen, dass diese Nervosität irgendwann nachlassen könnte.
    »Du siehst wunderschön aus«, begrüße ich sie.
    »Ähm, danke.« Sie deutet einen Knicks an. »Du siehst aber auch nicht so übel aus.«
    Ich küsse sie auf die Wange. Dann kommt Henri aus dem Haus und winkt Sarahs Mom zu, die im Wagen wartet.
    »Du wirst mich also anrufen, wenn es Zeit zum Abholen ist?«, fragt er mich.
    »Klar.«
    Sarah setzt sich ans Steuer, ich steige hinten ein. Seit ein paar Monaten hat sie ihre
Learner’s Permit
, kann also fahren, wenn jemand mit Führerschein neben ihr sitzt. Am Montag, in zwei Tagen, wird sie ihre Fahrprüfung ablegen. Jetzt fährt sie rückwärts aus der Auffahrt und dann weiter über die Straße, klappt die Sonnenblende herunter und lächelt mir im Spiegel zu. Ich lächle zurück.
    Ihre Mutter dreht sich zu mir um. »Also, wie war dein Tag, John?« Wir smalltalken. Sie erzählt mir vom Ausflug ins Einkaufszentrum, den sie mit ihrer Tochter am Nachmittag unternommen hat, und wie Sarah gefahren ist. Ich berichte ihr vom Spielen mit dem Hund und dass wir danach Joggen gewesen sind. Ich erzähle ihr
nicht
von meinem Training, das nach dem Joggen drei Stunden gedauert hat, berichte
nicht
, wie ich mit Telekinese einen dürren Baumstamm gespaltet habe und Henri mich mit Messern beworfen hat, die ich in einen zwanzig Meter entfernten Sandsack umleitete. Ich verschweige, wie ich angezündet wurde, welche Gegenstände ich gehoben und zerschmettert habe. Noch ein Geheimnis. Noch eine Halbwahrheit, die mir wie eine Lüge vorkommt. Sarah würde ich es gern erzählen. Ich habe das Gefühl, sie zu betrügen, wenn ich mich weiter vor ihr verstecke – und in den letzten Wochen belastet mich das wirklich. Aber ich weiß auch, dass ich keine Wahl habe. Wenigstens jetzt gerade nicht.
    »Ist es hier?«, fragt Sarah.
    »Ja.«
    Sie fährt in Sams Auffahrt. Er wartet schon in Jeans und Wollpulli und starrt uns

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