Ich bin unschuldig
über einen Durchbruch nachgedacht?«
Ein blöder Witz. Was ist los mit mir?
»Nehmen Sie bitte Platz.«
Der Kahlgeschorene kommt herein. Es ist 13.47 Uhr. Das weiß ich, weil Perivale sich vorbeugt, wobei ihm die Haare in die Stirn fallen, und es ins Aufnahmegerät sagt. Ich erfahre auch, dass der Kahlgeschorene in Wirklichkeit DC de Felice heißt. Seine Eltern sind womöglich Italiener, doch er muss hier aufgewachsen sein, denn er spricht mit Südlondoner Akzent. Er hat verschleierte grüne Augen und ein dreieckiges Gesicht, wie Pixar es seinen Superhelden gibt – eine lächerlich breite Stirn, von der sich das Gesicht zu einem spitzen Kinn verjüngt. Ich wette, seine Mutter findet seine Haare schrecklich.
Perivale ist den einleitenden Mumpitz noch einmal durchgegangen, den ich schon einmal gehört habe, sowie sämtliche Instruktionen darüber, dass ich das Recht habe zu schweigen. Ich nenne meinen Namen und meine Anschrift und sage, nein, ich war definitiv noch nie in Ania Dudeks Wohnung, nein, ich habe die Schwelle nie überschritten, nein, ich bin ihr noch nie zuvor begegnet, und nein, ich hatte keine Ahnung, wer sie ist.
Allmählich entspanne ich mich ein wenig. Ich denke sogar: Hatten wir doch alles schon, da beugt Perivale sich mit einem Eifer, dass das Aufnahmegerät umkippt, über den Tisch und sagt: »Sie war schwanger, als sie erdrosselt wurde. Haben Sie das gewusst? In der elften Woche.«
Die Welt hört auf, sich zu drehen. Die Ränder des Raums verschwimmen. Ich halte mich an der Tischkante fest, um nicht vornüberzukippen.
»Es tut mir leid«, sage ich. »Es tut mir schrecklich leid.« Mir ist schlecht. Das Ganze wird immer schlimmer. Unendlich viel schlimmer, als ein Mensch sich je vorstellen könnte. Zwei Tote. Unschuld. Leben. Tod. Ein Doppelmord? Ich weiß nicht. Was für eine schmerzliche Vergeudung.
Perivales Züge werden wieder deutlicher. Seine Nase hat mittendrin eine Delle. Seine Haut ist fleckig. Seine Hände zittern leicht. Er ist genauso aufgewühlt wie ich.
»Ich hätte also nichts dagegen, wenn Sie nicht ganz so respektlos wären.«
»Es tut mir schrecklich leid«, sage ich noch einmal. Etwas anderes fällt mir nicht ein. Die ganzen Sorgen um mich und was hier passiert, und jetzt wieder sie. Ich möchte mich ihr nicht verbunden fühlen, möchte kein Mitgefühl mit ihr haben. Da merke ich, dass es die ganze Zeit leichter war, wenn ich den Gedanken an sie ganz ausgeblendet habe.
»Wussten Sie, dass sie schwanger war?«
»Nein. Bisher hat niemand etwas erwähnt.«
Ich sehe Perivale an. Ich wünschte, ich könnte seine Miene deuten. Ich kriege ihn nicht zu fassen. Schwanger. Ein Mann. Der Freund, der nicht im Land war, als sie starb. Ist er wieder da? Trauert er irgendwo? Oder hat er womöglich etwas damit zu tun? Ich wünschte, ich müsste nicht darüber nachdenken. Ich wünschte, ich hätte nie etwas von Ania Dudek gehört.
»Und Sie haben wirklich nie einen Fuß in ihre Wohnung gesetzt?«
Ich widerstehe der Versuchung zu schreien. »Nein.«
Perivale und de Felice haben einen Blick gewechselt. Merkt Perivale, dass er sich wiederholt? Sollte er das Reden nicht besser de Felice überlassen? Guter Polizist, böser Polizist? Vergiss es. Er rückt die Unterlagen vor sich zurecht.
»Also, ich bin neugierig. Sie haben kürzlich den Garten neu gestalten und bepflanzen lassen?«
»Ja.« Ich habe keine Ahnung, worauf er hinauswill, aber wenigstens haben wir ihrer verdammten Wohnung den Rücken gekehrt.
»Könnten Sie uns ein wenig mehr darüber erzählen?«
»Okay.« Ich lasse ihm seinen Willen. Vielleicht hilft es uns beiden. »Vor oder hinter dem Haus?«
»Vor dem Haus, bitte.«
»Ähm, ja. Also, wir haben im Keller größere Fenster einbauen lassen – hat Ewigkeiten gedauert, und um dort unten mehr Tageslicht zu kriegen, haben die Bauarbeiter den Garten ziemlich auf den Kopf gestellt, also haben wir eine Spezialfirma namens Muddy Wellies kommen lassen, die uns Roger Peedles, der Gartenexperte unter meinen Kollegen, empfohlen hat. Die haben sich darum gekümmert. Ich habe ihnen gesagt, was ich haben wollte …«
»Olivenbäume?«
»Ja, und eine Glyzinie, die hoffentlich«, ich drücke die Daumen in der Luft, eine Art trauliche Geste, die ich in Mornin’ All dauernd benutze, »bald blüht. Die können stur sein, wenn sie verpflanzt werden.« Jetzt bin ich auf sicherem Grund. Ich habe mein Fernsehgesicht aufgesetzt. Ich bin weit weg von ermordeten Frauen. Ich habe die
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