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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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Flasche Wein bezahlt?«
    Ich sehe mir die untere Hälfte des Belegs an. »Mit Mastercard.« Die letzten Ziffern. Ich starre darauf und versuche zu begreifen, was ich da sehe.
    »Erinnern Sie sich, was Sie am Mittwoch, den achten Februar dieses Jahres gemacht haben?«
    »Es tut mir leid … nein. Dazu müsste ich zuerst … Nein.«
    »Vielleicht könnten Sie ja nachsehen. Verstehen Sie? Die Kreditkarte, mit der die Pizza und der Wein bezahlt wurden, läuft auf Ihren Namen. Ist das angesichts der Tatsache, dass Sie nie in Ania Dudeks Wohnung waren, nicht ein seltsamer, ganz eigentümlicher Zufall? Die Sachen wurden mit Ihrer Kreditkarte bezahlt. Sie begreifen also, nicht wahr, warum sich eins und eins allmählich addiert? Wir haben die Anzeige aus der Lady , die Zeitungsinterviews mit Ihnen, die Kleider, die Erde von Ihren Schuhen und jetzt auch noch eine Quittung für Sachen, die Sie persönlich gekauft haben müssen.« Er schaukelt nach hinten und betrachtet mich wie aus großer Höhe. »Was haben Sie dazu zu sagen?«
    Ich weiß, dass ich immer noch auf einem Stuhl sitze, denn mit den Händen umklammere ich die Stuhllehne, doch ich könnte auch schweben: Der Rest meines Körpers flimmert und zerläuft, als würde ich durch Wasser auf ihn hinabschauen.
    »Haben Sie etwas zu sagen?«, wiederholt Perivale.
    »Ich will einen Anwalt.«

Donnerstag
    Rechtecke aus Licht. Die Scheiben sind dick wie Flaschenböden, kaum überhaupt Glas zu nennen. Hindurch dringt nur Weiß.
    Sand in den Augen, so fühlt es sich jedenfalls an. Asche, ein schwefeliger Geschmack im Rachen. Der Hals so steif, dass es knackt, wenn ich den Kopf drehe.
    Ich schäle mich von der Matratze – meine Haut klebt an dem Plastik, es ist, als würde man Tesafilm abziehen. Von der Wolldecke steigt Schweißgeruch auf. Sie hat sich unter meinen Achseln verdreht. Ich bin die, die stinkt.
    Draußen ist es ruhig geworden, bis auf leises Gemurmel. Betet da jemand? Die ganze Nacht nichts als Geschrei und Gebrüll. Eine raue Stimme von weiter unten auf dem Flur, die völlig schief »Roxanne« sang. Eine andere, höhere, die schrie: »Erschieß mich. Du hasst mich doch, oder? Na los, schieß mir zwischen die Augen.«
    Jetzt ist es friedlich. Sie schlafen. Oder jemand hat ihnen zwischen die Augen geschossen.
    Ich muss pinkeln. Kaltes, blankes Aluminium. Kein Papier, um die Brille abzuwischen. Eine andere Zelle als gestern. Ich bin »befördert« worden.
    Der Teller mit der erstarrten Lasagne von gestern Abend einen Schritt neben der Tür.
    Ich hocke mich auf den Rand der Bank. Ich trage noch dieselben Sachen wie gestern. In einer Polizeizelle bekommt man keinen Schlafanzug. Wer hätte das gedacht? Meine Zähne sind pelzig. Ich habe den diensthabenden Beamten gefragt, ob ich eine Zahnbürste haben könnte, und er sagte, wenn es dringend sei, könne ich nach einem Arzt verlangen, eine medizinische Untersuchung stehe mir zu. Aber keine Zahnbürste. Man würde doch denken, das wäre ein Verstoß gegen europäisches Recht. Ist Zahnhygiene kein Menschenrecht? Es müsste ja nicht unbedingt so etwas Ausgefallenes wie eine Oral-B Pulsar 40 sein. Eine einfache zusammenklappbare, wie man sie im Flugzeug bekommt, würde es auch tun. Oder wenigstens ein Kaugummi, wie man ihn auf Autobahnraststätten neben dem Kondomautomat ziehen kann …
    Ich vermisse meine Tochter.
    Ich wünschte, ich wäre zu Philip durchgekommen. Ich wünschte, ich hätte es ihm gesagt und er wäre auf dem Heimweg.
    Angst und Panik brodeln wieder hoch, verdichten sich, laufen über. Ich begreife das nicht. Ich verstehe es einfach nicht. Ins Rollen gebracht wurde diese Folge von Ereignissen von einem Tröpfeln, ein Tröpfeln diverser seltsamer Kleinigkeiten, so viel ist mir klar. Doch sie waren erklärbar, eine Verschachtelung von Zufällen. Wir sahen uns ähnlich, Ania und ich. Was ergibt sich daraus? Nichts. Ich versuche, es aus Perivales Blickwinkel zu betrachten. Die Anzeige, die Zeitungsausschnitte, die Kleider … Vielleicht war sie mein Stalker. Vielleicht auch nicht. Die Welt ist voller seltsamer Dinge. Wir hatten einmal einen Kater in der Sendung – Mr   Paws –, der verschwand, nachdem die Besitzer umgezogen waren, und es gelang ihm, den Weg zu seinem alten Zuhause zu finden, gut hundertfünfzig Kilometer von Norwich nach Luton, eine wirklich unglaubliche Reise. Oder diese Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden und die beide Frauen namens Linda heirateten, beide ihre Söhne Guy und ihre

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