Ich bin verliebt in deine Stimme
da?« fragte Inge.
»Ja.«
»Hat's dir die Sprache verschlagen?«
»Wäre das ein Wunder? Aber vielleicht ist das Ganze eine Verwechslung deinerseits, Inge. Der meine hat mir jedenfalls erzählt, daß es sein Freund auf dich abgesehen hat.«
»Wer? Sein Freund?«
»Ja.«
In Inge mischten sich Empörung und Hohn. »Sagte er das wirklich? Sein Freund?«
»Ja, sein bester sogar.«
»Und wie heißt der?«
»Das weiß ich nicht. So eingehend haben wir nicht von ihm gesprochen. Sein Name ist nie gefallen.«
»Ich kann ihn dir sagen.«
»Und wie lautet er?«
»Petermann.«
»Peter Mann?! So heißt er doch selbst!«
»Dein Freund. Ja eben!«
Petras Stimme begann am Telefon zu zittern. »Du willst also sagen, daß hinter beiden ein und derselbe Mann steckt.«
»Genau.«
»Hast du Beweise?«
»Sogar einen schwarz auf weiß. Ich habe ihn hier in Händen. Es ist eine Ansichtskarte, die er mir geschrieben hat. Ich lese dir den Text vor. Hör zu: ›Sehr geehrtes Fräulein Westholdt, ein paar Tage lang hatten Sie mich so weit, daß ich versucht habe, Sie mir aus dem Kopf zu schlagen. Ich dachte, eine Reise in die Lüneburger Heide würde mir dabei helfen. Irrtum! Gewaltiger Irrtum!!! Jetzt weiß ich erst recht, daß es für mich keine andere Frau mehr geben kann als Sie.‹ Punkt, Unterschrift: ›Petermann‹. Genügt dir das?«
Tonlos antwortete Petra: »Das muß es wohl.«
»Und der Gipfel von allem ist, Petra, daß er zwischen Paris und Soltau hin und her pendelt.«
Als Petra ›Soltau‹ hörte, stieß sie unwillkürlich hervor: »Was willst du denn schon wieder mit deinem Soltau?«
»Aus Soltau kam die Karte.«
»Wie soll denn das möglich sein? Mir schrieb er aus Paris. Ich weiß es ganz genau, denn ich habe die Briefmarke für einen Neffen von mir abgelöst. Also, sag mir, wie das gegangen sein soll.«
»Wie alt ist die Karte?«
»Moment mal …«
Inge hörte, wie Petra den Hörer hinlegte und sich entfernte, um die Karte, die noch in ihrer Handtasche steckt, herbeizuholen. Rasch kam sie wieder und sagte: »Sie ist fünf Tage alt!«
»Und die meine zwei Tage«, erklärte Inge. »Also Zeit genug, um von Paris nach Soltau zu wechseln.«
»Aber wozu nach Soltau, frage ich mich, Inge.«
Ein Rest in Petra wehrte sich immer noch gegen die bittere Erkenntnis.
»Überlege dir doch, Soltau! Dieses Nest! Hast du dafür eine Erklärung?«
»Die einfachste der Welt.«
»Welche wäre das?«
»In jedem Nest gibt's auch Mädchen.«
Den Nagel auf den Kopf treffen nennt man das. Auch Petra empfand es so, mußte es so empfinden, als Inge schonungslos hinzufügte: »Sicher hat er dort auch eine sitzen.«
Nun war der Tränenstrom nicht mehr aufzuhalten. Petra schluchzte ins Telefon, daß sie am liebsten Gift nähme, sagte aber, nachdem Inge ihr erklärt hatte, daß das kein Mann der Welt wert wäre, schon wieder: »Das weiß ich auch.« Sie putzte sich die Nase, Inge wartete.
»Was mache ich jetzt mit der Fußballkarte?« fragte Petra dann.
»Mit welcher Fußballkarte?«
»Für das nächste Hertha-Spiel im Olympiastadion.«
»Ich werd' verrückt!« rief Inge maßlos verblüfft. »Du gehst zum Fußball!«
»Da kannst du mal sehen«, sagte Petra, »wie weit mich der gebracht hat. Ich hätte ihm doch gern wieder geschrieben, wie's war.«
»Wieder, sagst du?«
»Zweimal hab' ich's schon getan.«
»Arme Petra!« meinte Inge daraufhin nur.
Zum Schluß hätten dem guten Peter Mann im weit entfernten Paris die Ohren ganz schön klingen müssen, so wurde über ihn vom Leder gezogen. Aber nicht nur an ihm, sondern ausnahmslos an allen Männern wurde kein guter Faden gelassen.
»Diese Schweine!« fällte Petra ein Pauschalurteil und fand bei Inge keinen Widerspruch.
»Wie verfährst du nun mit ihm, Petra?«
»Der hört von mir keine Silbe mehr, der ist für mich gestorben.«
»Und wenn er zurückkommt und bei dir aufkreuzt?«
»Dann gibt's einen Auftritt, daß er sehr rasch und für immer das Weite sucht. Am liebsten hätte ich dich dabei.«
Danach stand Inge der Sinn aber gar nicht. Nicht, daß sie konfliktscheu gewesen wäre, doch wenn dabei die Fetzen flogen – und damit mußte man bei der temperamentvollen Petra unbedingt rechnen –, zog sie es vor, dem Ort des Geschehens nach Möglichkeit fernzubleiben.
Nach dem Telefongespräch mit Petra fiel Inges Blick auf den Brief aus Oberstdorf, der noch auf dem Tisch lag. Er löste eine Gedankenkette aus:
Ich habe doch noch Urlaub vom letzten Jahr
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