Ich bin verliebt in deine Stimme
…
Wenn ich den nicht bald nehme, verfällt er … In den Alpen war ich noch nie … Die Tante meint es ernst … Ich fahre!
Zwei Tage später bestieg Inge Westholdt den D-Zug nach München, wo sie sich sputen mußte, um den Anschlußzug nach Oberstdorf nicht zu verpassen. Ihre Tante, an die sich Inge kaum mehr hatte erinnern können, entpuppte sich als eine resolute, jedoch reizende Hotelpensionsbesitzerin, der ihre Nichte vom ersten Augenblick an sympathisch war. Inge war das Kind ihrer verstorbenen Schwester, die aus Bayern nach Braunschweig geheiratet hatte. »Wahnsinn!« hatten die Oberstdorfer damals einstimmig gesagt.
Die Ähnlichkeit zwischen Mutter und Tochter war so groß, daß die Tante, wie sie immer wieder verkündete, sich an Inge nicht satt sehen konnte. Und jetzt müßte das arme Kind sogar in Berlin leben, meinte sie, ob man es da überhaupt aushalten könne. Inge bejahte die Frage lachend. Dies deutete darauf hin, erkannte die lebenserfahrene Tante, daß das Kind in Berlin einen Schatz haben müsse.
Und obwohl das von Inge aus tiefster Überzeugung bestritten wurde, schien die Tante einen wahren Kern gestreift zu haben, denn die Nächte ihrer Inge waren unruhig. Inge wurde von Träumen heimgesucht, in deren Mittelpunkt immer derselbe Mann stand.
Da Inge über den Ursprung eines Traums schon einiges gelesen hatte, konnte sie sich selbst nicht mehr verstehen. Obwohl sie sich selbst ständig zur Verachtung jenes Mannes aufrief, von dem sie nur wußte, daß er kein besseres Gefühl verdiente, sah sie sich statt dessen einer Sehnsucht in ihrem Innern ausgesetzt, zu welcher der Keim an einem verfehlten Abend im Kino gelegt worden war. Sie fing an, sich zu fragen, wie sie über ihn denken würde, wenn sie nicht zufällig über sein Verhältnis mit ihrer Freundin Petra Bescheid gewußt hätte. Ganz gewiß besser, wurde ihr klar. Und was dann? fragte sie sich.
Dann wäre ich nicht weniger auf ihn hereingefallen als die gute Petra.
11
Nach Berlin kehrte Ralf Petermann mit dem endgültigen, keinerlei Unklarheiten mehr aufweisenden Entwurf des Abendkleidmodells ›Inge‹ zurück. Er gab ihn noch am Tag seiner Ankunft ins Atelier und ordnete an, alles andere zurückzustellen und der Anfertigung dieser Kreation unbedingt den Vorrang zu geben. Und was dann kam, war zu erwarten. Ralf begann, das Fernamt anzuwählen. Er tat dies wenigstens dreißigmal und hatte Inges Stimme immer noch nicht vernommen. Endlich fragte er das nächstbeste Mädchen, das sich meldete, ob das Fräulein Westholdt vielleicht im Amt sei. Nein, das sei sie nicht. Wieso er das wissen wolle? Weil er ihr etwas Wichtiges zu bestellen habe. Die Kollegin sei in Urlaub, ließ das Mädchen verlauten.
Und wo?
In Oberstdorf. Die genaue Adresse könne man wahrscheinlich in ihrer Pension erfahren. Ralf dankte dem Mädchen, rief in der Hildegardstraße an und wurde nicht enttäuscht. Frau Moormann hatte keine Bedenken, ihm Inges Urlaubsanschrift mitzuteilen.
Der Tag, an dem der Zeitungsmensch Peter Mann seinen Fuß wieder auf Berliner Boden setzte, neigte sich schon dem Ende zu. Peter war von Paris die halbe Nacht und den ganzen Tag durchgefahren. Müde, unrasiert, mit leerem Magen stürzte er zum nächsten Telefon, um Petra Martens anzurufen. Den gleichen Versuch hatte er in letzter Zeit schon von Paris aus etliche Male unternommen – immer vergebens. Sein Gespräch war nicht ein einziges Mal angenommen worden. Von einem Tag auf den anderen hatte Petra die Verbindung mit ihm abgebrochen. Nachdem urplötzlich ihre Briefe ausgeblieben waren, hatte sie es auch abgelehnt, am Telefon mit ihm zu sprechen, als seine Anrufe einsetzten, um herauszubekommen, was denn, verdammt noch mal, los sei. Auch jetzt schien er wieder kein Glück zu haben. Petras Mutter meldete sich am Apparat. Um zu verhindern, daß das Ganze wieder ein rasches Ende nahm, sagte er: »Frau Martens, ich bin's, legen Sie nicht auf, denn ich verspreche Ihnen, daß ich in zwanzig Minuten bei Ihnen sein und Ihre Tür einrennen werde, wenn Sie mich jetzt nicht anhören.«
Das klang so entschlossen, daß Frau Martens erschrocken fragte: »Sind Sie denn in Berlin?«
»Ja, soeben eingetroffen. Wo ist Petra?«
»Die ist nicht da.«
»Frau Martens, ich verspreche Ihnen noch einmal das gleiche, wenn Sie sie mir nicht sofort an den Apparat holen.«
»Ich schwöre Ihnen, sie ist wirklich nicht da.«
»Und wo ist sie?«
»Beim … beim Tanzen.«
»Wo?« schrie Peter.
»Beim Tanzen«,
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