Ich blogg dich weg!
jedenfalls nicht.“
Julie zog ihren Laptop heran und öffnete ihr Postfach. „Stüpp7 heißt er, siehst du, damit hat alles angefangen.“
Ich las die Mails, las Julies Antworten, las noch mal die Mails, las die Adresse. Stüpp7.
„Hast du das Jasmina gezeigt?“ Ich bemühte mich, ganz normal zu sprechen. „Irgendwann mal?“
„Nein“, sagte Julie und schüttelte den Kopf. „Jasmina redet mit mir nicht so viel darüber, weil sie denkt, dass mir das noch mehr wehtut, glaube ich.“
„Ja, klar“, presste ich hervor.
„Am Anfang habe ich mir auch nicht so viel dabei gedacht, aber dann … Schau hier.“
Julie suchte „Stüpp“ über Google. Der Wikipedia-Eintrag, der angezeigt wurde, hatte bereits eine lila Schrift. Anscheinend las Julie ihn öfter.
„Ein Stüpp ist eine Art Werwolf“, fasste Julie zusammen, damit ich den Eintrag nicht lesen musste. „Er fällt seine Opfer unter Bäumen an und würgt sie zu Tode. Oder er lässt sich von ihnen schleppen, bis sie zusammenbrechen.“
„Aber das ist doch nur ein Märchen“, sagte ich. „Dieser Stüpp.“ Stüpp! Wie oft hatte ich diesen Namen gerufen und wie oft war er mit hängender Zunge auf mich zugerannt. Wie oft hatten Jasmina und ich uns mit ihm zusammen auf dem Boden des Wohnzimmers gekugelt. Im alten Wohnzimmer, in der alten Wohnung. Als wir noch ganz klein waren, kaum größer als der Hund, den wir Stüpp riefen. Lieber Stüpp! Wie Jasmina geheult hatte, als wir ihn einschläfern lassen mussten. Stüpp war erst sieben, als das passierte.
„Natürlich ist das nur ein Märchen!“, erwiderte Julie heftig neben mir. „Aber trotzdem …“ Ich hoffte, dass ich nicht genauso zitterte wie sie, und nahm sie in meine Arme.
„Und wie soll ich in der nächsten Woche wieder in die Schule gehen?“, fragte sie nahe an meinem Hals.
Ich hätte ihr gerne gesagt, dass ich eine Lösung hätte, irgendeine, aber ich hatte natürlich keine.
Hast du jetzt endlich Angst?
Stüpp7
JULIE
Nachdem Sebastian gegangen war, hatte ich wieder Kopfschmerzen. Ich döste mit halb geschlossenen Augen vor mich hin und bekam kaum mit, dass jemand die Bremse am Fußende des Bettes löste und mich aus dem Zimmer schob. Die Neonlichter über mir wechselten sich mit den hellgrauen Deckenplatten ab, Licht, Platte, Licht und so weiter, während man mich darunter hinwegschob. Das Bett bog um eine Ecke, immer noch waren die Lichter über mir, darüber hingen armdicke Äste voller raschelnden Herbstlaubs. Das Geäst wurde dichter und dichter, wucherte über die verblassenden Lichter, ich konnte beim Wachsen zusehen, so schnell verflochten sich die Zweige ineinander. Bald bildeten sie eine dichte Decke und krochen dann an den Wänden nach unten. Immer noch wurde ich geschoben, und als ich meinen schmerzenden Kopf zur Krankenschwester drehte, war da niemand. Das Bett rollte nun auch nicht mehr. Stattdessen erhob sich vor dem Fußende eine Gestalt, halb Mann, halb haariger Wolf. Seine Augen glitzerten boshaft und seine Zunge hing zwischen den gefährlich spitzen Zähnen aus seinem Maul. Seine Krallen lagen auf der Metallstange des Krankenhausbettes.
„Hast du Angst?“, fragte er mich und ich wunderte mich, dass er sprechen konnte.
„Nein“, wollte ich sagen. Aber ich hatte Angst, namenlose, lähmende Angst.
So wachte ich auf. Im Bett neben mir lag Frau Teichert und schnarchte unter der Nachtbeleuchtung vor sich hin. Sie war operiert worden und hatte eine Infusion am Arm. Neben ihr stand eine Gestalt, die an dem dünnen Schlauch hantierte, der in Frau Teicherts Hand endete.
Mit einem Ruck setzte ich mich auf.
„Pst!“, machte die Gestalt. „Schlaf weiter. Deine Mutter fragt schon andauernd, ob du dich auch genügend ausruhst.“ Es war die kleine Schwester, die mir die Blumen neben das Bett gestellt hatte. Sie ging leise aus dem Zimmer und schloss die Tür.
Ich langte nach meinem Handy und schaute auf die Uhr. Es war kurz nach zwei. Ich hatte mindestens acht Stunden geschlafen.
Dann entdecke ich, dass ich zwei SMS von Sebastian verschlafen hatte.
Schlaf gut , schrieb Sebastian in der ersten. Ich denk an dich. Kuss. Die zweite SMS war kurz vor eins abgeschickt worden: Bist du noch wach?, fragte er. Ruf mich an! Will mit dir reden.
Das war vor über einer Stunde gewesen. Vielleicht schlief Sebastian jetzt schon, aber trotzdem wählte ich seine Nummer. Wenn er nach dreimaligem Klingeln nicht antwortete, würde ich auflegen. Oder nach fünfmaligem
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